Soziologie-ein fliegender Holländer? https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be/2015/12/blog-post

Soziologie- ein fliegender Holländer?

Mein Artikel aus "soziologie heute", Oktober 2015, s. Blog-Artikel vom 2.12.2015

Montag, 30. Juni 2014

Autorität und Gehorsam- Milgram-Experiment

Die Soziologie des Unbewussten


In meinem letzten Hypnose-Workshop war ich erstaunt, dass der Veranstalter das Milgram-Experiment filmisch dokumentierte, um den Unterschied zwischen Hypnose (einem wesentlichen Bezugspunkt neben anderen des neurowissenschaftlich erforschten „new unconscious“) und der Wirkung von Autoritäten zu zeigen.

Obwohl das Seminar ansonsten hervorragend und überzeugend war, konnte ich diese Differenz nicht nachvollziehen.

Milgram hat in seinem berühmten Experiment experimentell das nachgewiesen, was die jüdische Philosophin Hannah Arendt nach dem Eichmann-Prozess als „Banalität des Bösen“ beschrieben hat.

Ca. 70 % seiner Probanden gingen in ihren Handlungen so weit, dass sie Menschen „töteten“, weil sie sich den Forderungen der Autorität anpassten.

Im KZ wurden jüdische Kinder vergast, weil es der Ideologie entsprach und bürokratische Autoritäten den Eindruck vermittelten, dass sei in Ordnung.

Es ist auch eine sozialpsychologische Demonstration von dem, was Ideologie,  „politische Correctness“ und ihre Wirkungen bedeuten.

Sie taten das, was richtig war und was die Autorität, die ihre Autorität glaubhaft vermittelte, von Ihnen verlangte.

Die Probanden wurden durch den weißen Kittel und die professorale Autorität (Symbole) unbewusst so manipuliert, dass sie, obwohl Ihr Verstand die Handlungen in Frage stellte, Menschen „töteten“.

Struktursoziologisch betrachtet offensichtlich ein soziales Gesetz auf der Basis statistischer Kausalität, ein weiteres Beispiel für die „Soziologie des Unbewussten“.




Für die Gruppenteilnehmer, die sich für für die aktuelle Entwicklung interessieren:


Milgram “lite”: Menschen weiter zur Folter bereit


Montag, 22. Dezember 2008 Santa Clara – US-Psychologen haben das berühmt-berüchtigte Milgram-Experiment wiederholt. Ihre Publikation im American Psychologist (Online) zeigt, dass Menschen heute, wie vor 45 Jahren, den Gehorsam über ihr Gewissen stellen.

In einem Experiment hatte der Sozialpsychologe Stanley Milgram von der Yale Universität Anfang der 1960er-Jahre ergründen wollen, warum so viele Menschen während der NS-Zeit bereit waren, sich aktiv am Genozid an Juden und anderen Bevölkerungsgruppen zu beteiligen. Die Antwort, die Milgram herausfand und die heute in jedem Lehrbuch der Psychologie erwähnt wird, war, dass fast jeder zu einem Kadavergehorsam bereit ist.

In dem Original-Experiment war 40 Männern im Alter von 20 bis 50 Jahren vorgegaukelt worden, sie nähmen an einem Lernexperiment teil. Ziel sei es, die Wirkung von Strafe auf den Lernerfolg zu untersuchen. Die Probanden fanden sich in der Rolle des Lehrers wieder.

Ein Schüler war im Nebenraum angeblich an einen elektrischen Stuhl gefesselt. Der Proband sollte dem Schüler Stromstöße verabreichen, wann immer dieser in einem einfachen Test Fehler machte.

Das Gewissen des Probanden wurde immer stärker auf die Probe gestellt, denn nach jeder weiteren falschen Antwort sollte der Schüler einen um 15 Volt stärkeren Stromschlag erhalten. Ab 75 Volt hörten die Probanden ein Stöhnen, ab 150 Volt Schmerzensschreie aus dem Nachbarraum. Doch die meisten machten bis 450 Volt weiter, nachdem der Studienleiter sie dazu aufforderte.

Es war keineswegs so, dass die Probanden keine Skrupel zeigten. Vielen war die Anspannung anzusehen, sie begannen zu schwitzen, zu zittern oder zu stottern, berichtete Milgram in der Originalpublikation. Regelmäßig kam es zu einem nervösen Lachen, das sich bis zu unkontrollierbaren Anfällen steigern konnte. Doch die Probanden gehorchten weiter den Anweisungen des Leiters, obwohl man ihnen versichert hatte, dass sie jederzeit aufhören könnten.

Dieses Experiment war aus ethischen Gründen seither nicht wiederholt worden. Auch Jerry Burger von der Universität in Santa Clara/Kalifornien musste lange mit dem „institutional review board“ seiner Universität verhandeln, bis er die Erlaubnis zu seinem „Replicating Milgram“-Experiment bekam. Der Versuchsaufbau für „Gehorsam lite“ wurde modifiziert.

Die Obergrenze für den höchsten (scheinbaren) Stromstoß wurde auf 150 Volt begrenzt und auch der Probestromstoß an die Probanden selbst – er sollte sie davon überzeugen, dass das Experiment echt ist – betrug nur 15 Volt, statt 45 Volt wie bei Milgram.

Die Teilnehmer wurden wiederum über Anzeigen geworben (dieses Mal auch im Internet), wie damals sollte es eine Entschädigung geben (50 Dollar statt 4,5 Dollar). Im Gegensatz zum letzten Mal wurden auch Frauen für das Experiment angeworben. Burger prüfte, dass Teilnehmer weder Psychologie studiert hatten noch das Milgram-Experiment kannten. Auch Menschen mit psychischen Erkrankungen waren ausgeschlossen.

29 Männer und 41 Frauen wurden ausgewählt, an dem Experiment teilzunehmen. Es gab noch eine weitere Modifikation. Bei Milgram befanden sich nur der Proband und der Studienleiter im Raum. Im Versuchsaufbau von Burger war – in einem Teil der Experimente – noch eine dritte Person im Raum anwesend.

Diese Person (ein Schauspieler) zeigte sich erschüttert über das Experiment, sobald aus dem Nachbarraum das erste Stöhnen (bei 75 Volt) zu hören war. Doch das hielt die wenigsten Probanden davon ab, den Anweisungen des Studienleiters zu gehorchen. Am Ende waren 63,3 Prozent bereit mehr als 150 Volt zu applizieren. Ohne den „Bedenkenträger“ waren es 70 Prozent, kaum weniger als im Originalexperiment von Milgram (82,5 Prozent).

Für Burger zeigen die Experimente, dass die Ergebnisse, die Milgram vor 45 Jahre erzielte, gewissermaßen zeitlos sind. Frauen erwiesen sich als ebenso folgsam wie Männer. Was Burger ein wenig bestürzt, ist die Tatsache, dass auch die Anwesenheit des Bedenkenträgers die Teilnehmer nicht dazu brachte, stärker ihrem Gewissen zu folgen.

Die Experimente Milgrams werden demnächst auch im Fernsehen gezeigt. Die BBC hat eine Dokumentation gedreht, in der ein britischer Psychologe die Milgram-Versuche repliziert hat – dieses Mal ungebremst von Ethikkommissionen und sicherlich publikumswirksam bis zur 450-Volt-Grenze, wie einem Beitrag des Onlinedienstes der BBC zu entnehmen ist. © rme/aerzteblatt.de

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