Soziologie-ein fliegender Holländer? https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be/2015/12/blog-post

Soziologie- ein fliegender Holländer?

Mein Artikel aus "soziologie heute", Oktober 2015, s. Blog-Artikel vom 2.12.2015

Sonntag, 14. Dezember 2014

Wissenschaft ohne Erkenntnis??


Meine Antwort auf einen Kommentar von Prof.Dr. Thomas Etzemüller auf meinen kritischen Kommentar im Blog der DGS (Deutsche Gesellschaft für Soziologie):

 Prof. Etzemüller: "Gibt es je einen "Stand der Erkenntnis"?"



Gerhard Schwartz:
"Deutlicher kann man das Problem der konstruktivistischen Verirrung kaum fassen. Bezweifeln Sie, dass es überhaupt in der Wissenschaft um Erkenntnis geht oder bezweifeln Sie, dass es einen sich verändernden, weiter entwickelnden STAND der Erkenntnis geben kann??? Beide Zweifel führen ein rational-logisches Gespräch ad absurdum. Worüber sollen wir denn sonst wissenschaftlich sprechen??

„Des Kaisers neue Kleider“ ist zum allumfassenden Märchen der Soziologie geworden.

Der Konstruktivismus, der den Zeit-un-geist beherrscht, wird vom neuen ontologischen Realismus als lediglich „aufgeblasene Rhetorik“ (Markus Gabriel) entlarvt, weil er implizit eine objektive Realität voraussetzen MUSS, um sich nicht in Beliebigkeit und Meinungs-Fetischismus jenseits jeder kommunizierbaren Erkenntnismöglichkeit aufzulösen.

Dass ich das Thema „systematische Theorie“ gerade mit einem Historiker diskutieren darf und das mit ihm dabei eher auf den Punkt bringe als mit einem Soziologen, zeigt die Hilflosigkeit und den Absturz der Soziologie, die ihre Hilflosigkeit wahnhaft, um im psychologisierenden Jargon der aktuellen Soziologie zu bleiben, in die Gesellschaft projiziert und sich zur „Verunsicherungs-Wissenschaft“, als Qualitätssymbol verstanden, hochstilisiert, obwohl ihre wissenschaftliche Impotenz und die Komplexitäts-Ideologie, die die Popularisierung und Demokratisierung der komplexitätsverliebten, intellektualistischen Systemtheorie bewirkt hat, eine Hauptursache für die Orientierungs- und Verantwortungslosigkeit in der Gesellschaft ist.

Es wird langsam Zeit, dass sie ihren Auftrag, soziale Realität und soziale Prozesse zu ERKLÄREN, Ernst nimmt. Das ist ihre einzige Steuer finanzierte Daseinsberechtigung, nicht die Produktion von intelligenten Ideologie konformen Texten ihrer Beamten innerhalb einer wohltemperierten emotional-ideologische Komfortzone ohne Haftung, mit angenehmem Ambiente und attraktiven Untergebenen.

Ein anderes Indiz für die Hilflosigkeit der Soziologie ist die aktuelle Flut an Büchern zur „soziologischen Theorie“, die gerade demonstriert, dass es keine „soziologische Theorie“ im Sinne von systematischer Wissenschaft gibt.

Die Soziologie benimmt sich wie ein Blatt Papier auf dem Ozean, das sich einbildet, ein seetüchtiges Schiff zu sein, das auf dem Ozean der sozialen Realität weiß, welcher Kurs anliegt. Als Kapitän weiß ich, wovon ich rede.

Der viel beschworene populäre Methoden-Pluralismus ist zu einer relativistischen Ideologie entartet, die ihre zufällig erzielten Resultate als systematisch erzielte Glanzleistungen verkauft, ohne mit zu bekommen, das sie nicht weiß, warum ihre Erkenntnisse Erkenntnisse und nicht bloße Meinungen sind.

Diese Tatsache erklärt auch die offensichtliche Distanz zwischen erfolgreich arbeitenden Soziologen in der Praxis und der Universitäts-Soziologie.

Persönlichkeiten, die sich im Dschungel der Hilflosigkeit konstruktiv Orientierung verschafft haben, sind als Persönlichkeiten erfolgreich, nicht als Soziologen. Früher nannte man das bei den Soziologen „aktive Professionalisierung“. Nichts Neues.
Ich bekam eine hoch dotierte Ausbildung bei Merrill Lynch und an der Wallstreet 1983 in Konkurrenz zu Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern, OBWOHL ich Soziologe war.
Die heutigen Soziologen haben noch den Vorteil, dass sich die Konkurrenz-Disziplinen im Zuge von Bologna, dem demokratischen Massen-Studium usw. dem Niveau der Soziologie angenähert haben.

Erkenntnistheorie, Ontologie und Wissenschaftstheorie kann man zwar explizit im Rahmen der Demokratisierung des Denkens vermeiden, implizit bestimmen sie allerdings immer den Stellenwert von Erkenntnis.

Die SYSTEMISCHE Praxis hat gesellschaftlich Erfolg, weil ihr „Versuch und Irrtum“ der demokratische Ersatz für wissenschaftliche Theorie und systematisches Denken ist. Obwohl sie sich gerne anders darstellt, hat sie mit der komplexitätsverliebten, intellektualistischen Systemtheorie meistens kaum etwas zu tun. Sie ersetzt Erkennen durch Probieren.
Immerhin ergänzt sie die experimentelle Dimension auf der Interaktions- und Organisationsebene.
Auf der gesellschaftlichen Ebene ist das allerdings offensichtlich kein Ersatz für eine wissenschaftliche Theorie und ihre empirische Überprüfung."