Soziologie-ein fliegender Holländer? https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be/2015/12/blog-post

Soziologie- ein fliegender Holländer?

Mein Artikel aus "soziologie heute", Oktober 2015, s. Blog-Artikel vom 2.12.2015

Dienstag, 28. November 2017

Prof. Jörg Strübing und der gemeinte Unsinn!

Der Professor hat Angst vor der Wahrheit!
Seine Lebenswelt-Ideologie bricht zusammen, der Kaiser ist nackt!

Einerseits ist seine Zensur erbärmlich, andererseits verständlich, wenn offensichtlich wird, dass das vermeintliche wissenschaftliche Fundament, auf dem man sein professionelles Leben aufgebaut hat, sich als triefendes Löschpapier auf dem Ozean sozialer Realitäten entpuppt.

Als Gestalttherapeut gehe ich professionell anders mit solchen Tragödien um, aber hier geht es um wissenschaftliche Soziologie.
Gestalttherapeuthisch würden wir uns Ihre Lebenswelt, Ihren gemeinten Sinn und Ihre Rationalisierungen Ihres Verhaltens selbstverständlich wohlwollend und ernsthaft gemeinsam ansehen, Herr Prof. Strübing.

Die hilflose Zensur von Prof. Strübing im SozBlog bestätigt mein sozialrealistisches Konzept emotional-ideologischer Komfortzonen und das Basis-Axiom einer wissenschaftlichen Soziologie:
Macht/Gewalt (physisch und psychisch) steuern soziale Prozesse!

Mein nicht freigeschalteter Kommentar zu den darunter nachlesbaren Abstrusitäten zum Thema Wissenschaft des Herrn Professors:

„Lieber Herr Prof. Strübing,

vielen Dank für den Hinweis auf die „Akademie für Soziologie“, deren Gründung einmal mehr den katastrophalen Zustand der Hochschul-Soziologie charakterisiert, die wissenschaftlich „...abgestürzt ist wie ein Computer“, wie Gerhard Wagner das zutreffend formuliert hat.

Ihr Einstein-Zitat und Ihre berechtigte Kritik am Empirismus demonstrieren ungewollt die Absurdität der zeitgenössischen Pluralismus-Ideologie, die Entdeckungs- und Begründungszusammenhang verwechselt, und des postmodernen Sozialkonstruktivismus, den der britische Historiker Geoffrey Elton einmal als „die intellektuelle Entsprechung von Crack“ bezeichnet hat.

Sie bestätigen implizit diese Einschätzung: „Es sind nicht Daten, nicht Gesetze, nicht Normen, die wissenschaftlichen Fortschritt hervorbringen. Nein, es ist das Argument. Es geht um Argumente und als Soziologinnen wissen wir: Es geht um den sozialen Prozess des Argumentierens.“

Der „soziale Prozess des Argumentierens“ ist ebenso wie Normen /Moral/Werte ein GEGENSTAND der Soziologie als Wissenschaft der Sozialität, wie die Gravitation ein zentrales Thema in der Physik ist. Ihn als grundsätzliche, alternative wissenschaftliche Methodologie hochzustilisieren, ist ein Indiz für das absurde, bestenfalls vorwissenschaftliche Theater des Sozialkonstruktivismus. 

Das gilt übrigens auch für die originelle, unterstützende Begründung des Sozialkonstruktivismus durch den Hinweis auf den Kritischen Rationalismus, ein wahrhaft sozialkonstruktivistischer, geistiger Gewaltakt. Wie wär's mit ein wenig SozialONTOLOGIE, Herr Professor?

Einstein, Ihr Wissenschaftsmaßstab, war ein Realist und sein einziger kontinuierlicher Gesprächspartner in Princeton, der geniale Logiker und Mathematiker Kurt Gödel (Unvollständigkeitstheoreme), den Einstein bewundert hat, ein platonischer Realist.

Einstein hat bis zu seinem Tode die „Kopenhagener Deutung“ der Quantenmechanik von Bohr als Irrweg und als falsch bekämpft und das zentrale Thema der aktuellen theoretischen Physik ist die Integration von Quantenmechanik und allgemeiner Relativitätstheorie.

Erfolgreiche Wissenschaft besteht in der Entdeckung von ERKLÄRUNGEN vor dem Hintergrund plausibler Theorien, ihrer rationalen Kritik und relevanter Philosophie mit dem Ziel der Vereinheitlichung bestehender Theorien und der Reduktion von Komplexität.

David Deutsch, kritischer Rationalist und Realist (Verfasser der Konstruktor-Theorie), formuliert das so: 
„For most of the history of our species, we had almost no success in creating such knowledge. Where does it come from? Empiricism said that we derive it from sensory experience. This is false. The real source of our theories is conjecture, and the real source of our knowledge is conjecture alternating with criticism. We create theories by rearranging, combining, altering and adding to existent ideas with the intention of improving upon them. The role of experiment and observation is to chose between existing theories, not to be source of new ones. We interpret experiences through explanatory theories, but true explanations are not obvious. Fallabilism entails not looking to authorities but instead acknowledging that we may always be mistaken, and trying to correct errors. We do so by seeking good explanations- explanations that are hard to vary in the sense that changing the details would ruin the explanation. This, not experimental testing, was the decisive factor in the scientific revolution, and also in the unique, rapid, sustained progress in other fields that have participated in the Enlightenment.“ (Deutsch 2011: 32)

Auch Deutsch hält postmodernes „Denken“ und z.B. die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik für schlechte Philosophie.

Insofern ist die Orientierung der „Akademie für Soziologie“ an einem kritischen Realismus ein Schritt in die richtige Richtung.

Seit Weber sind der „methodologische Individualismus“ ebenso wie später der Sozialkonstruktivismus der Postmoderne zu Irrlichtern auf dem Ozean sozialer Realitäten geworden, die mit Leuchttürmen verwechselt werden.

Einen Ausweg aus diesen beiden Sackgassen stellt die Suche nach sozialen Naturgesetzen im Geist Durkheims (nicht zu verwechseln mit der philologischen Buchstaben-Exegese) dar, modernisiert durch die Integration von theoretisch-wissenschaftlichen und historischen Erfahrungen nach seinem Tod 1917 und verbunden mit einer Empirie, die darüber entscheidet, wann eine Theorie weniger erfolgversprechend ist als eine andere (s. a. Lakatos) oder sogar archiviert werden muss.

Dem anthropozentrischen Größenwahn, der soziale, statistisch erfassbare Naturgesetze ignoriert, widersprach Durkheim:
„Auch sie (die Gesellschaft, G.Sch.) entstammt der Natur, obzwar sie sie beherrscht. Weil nicht allein alle Kräfte des Universums in ihr münden, sondern weil allein aus der Synthese dieser Kräfte ein Produkt entsteht, das alles, was zu seiner Bildung beigetragen hat, an Reichtum, Komplexität und Wirkkraft übersteigt. Mit einem Wort, die Gesellschaft ist die Natur, aber die auf dem höchsten Punkt ihrer Entwicklung angelangte Natur, die alle ihre Energien aufbietet, um gewissermaßen über sich selbst hinauszuwachsen.“ 
(Durkheim 1976: 157)

Wie eine sozialrealistisch-wissenschaftliche Alternative in diesem Sinn aussehen kann, deute ich in meinen Artikeln in „soziologie heute“ und in meinem Blog an.“


27.11.17
Strübing:
Was für eine Wissenschaft soll die Soziologie sein?
Die sogenannte „Akademie für Soziologie“ verpflichtet sich der Gesellschaft gegenüber vor allem darauf, eine bestimmte Leistung zu erbringen: Sie will dem steigenden Bedarf nach „verlässlichen Informationen sowie praktischen Handlungsempfehlungen“ [1] nachkommen. Und sie will das unter „Anwendung kontrollierter wissenschaftlicher Methoden“, basierend auf „klar und präzise formulierten Theorien“ und unter Einsatz von „Replikationen“ erreichen. Doch soll das der Kern der Wissenschaftlichkeit unseres Faches sein? Wirklich? Was macht Forschen zu wissenschaftlichem Forschen? Es sind nicht Daten, nicht Gesetze, nicht Normen, die wissenschaftlichen Fortschritt hervorbringen. Nein, es ist das Argument. Es geht um Argumente und als Soziologinnen wissen wir: Es geht um den sozialen Prozess des Argumentierens. Dies zweifelsohne in der „Wirklichkeitswissenschaft“ Soziologie in Auseinandersetzung mit empirischem Material, doch in Zeiten, in denen die Wissenschaften und in Teilen auch die Soziologie sich, getrieben von einseitiger Nachfrage aus Politik, Verwaltung und medialer Öffentlichkeit, dem Ideal der „evidence-based science“ verschreiben, gerät mitunter aus dem Blick, dass Soziologie sich nicht darin erschöpft, möglichst präzise Datensätze über gesellschaftliche Zustände und Prozesse zu generieren. Wer Gesellschaft (und umfassender noch: Sozialität) mit Weber „ursächlich erklären“ will, muss sie eben zunächst „deutend verstehen“. Die dazu erforderlichen Heuristiken gehen weit über Messung und Theorietest hinaus.
Das im Kontext der Akademie-Gründung propagierte Wissenschaftsmodell erweist sich dagegen als geschichtsvergessen und fällt deutlich hinter Weber, aber vor allem hinter den wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Diskurs der letzten hundert Jahre zurück. Wilhelm Windelband, Wilhelm Dilthey und eben Max Weber haben schon früh deutlich gemachte, dass die mit Sozialität befassten Wissenschaften allein mit einem, wie Windelband es nannte, „nomothetischen“ Wissenschaftsverständnis, wie es in den Naturwissenschaften seiner Zeit große Erfolge feierte, keinen Blumentopf gewinnen können. Inzwischen ist diese Position, angereichert um erkenntnis- und sozialtheoretische Argumente wesentlich weiter entwickelt worden, und es ist längst common sense, dass die Alternative zur nomothetischen oder, wie wir heute sagen würden, hypothetiko-deduktiven Vorgehensweise sich nicht in der kundigen Beschreibung von Einzelfällen erschöpft, sondern in eigenen interpretativen und rekonstruktiven Verfahren besteht, deren konsequente Umsetzung gleichwohl verallgemeinerungsfähige wissenschaftliche Aussagen hervorbringt.
Roger Berger aber schreibt in seinem die Akademie-Gründung vorbereitenden Papier [2], „dass die soziale Welt ein Teil der physischen (chemischen, biologischen, etc.) Welt ist“ und sich daraus „eine methodologische Einheit der Wissenschaften (ergibt)“. Erkenntnistheoretische Grundsätze würden für alle empirischen Wissenschaften gleichermaßen gelten, mithin auch für die Sozialwissenschaften. Dass Menschen aber auch eine symbolische Welt hervorbringen: Macht das denn erkenntnislogisch und wissenschaftstheoretisch keinen Unterschied? Wie kann man Gegenstandsangemessenheit als Gütekriterium vertreten, wenn eine so gravierende Gegenstandsbestimmung unbedacht bleibt?
In den Akademie-Papieren liest es sich so, als sei es die pure Evidenz des empirischen Datums, die Falsifizierung ermöglicht und uns gute von schlechten Theorien unterscheiden lässt. Das aber wäre Positivismus reinsten Wassers, eine Position, die nicht einmal Karl R. Popper unterschrieben hätte, der in Kreisen der kritischen Realisten gerne als Stammvater reklamiert wird. Popper wies schon 1935 in seiner „Logik der Forschung“ auf das Basissatz-Problem hin, das darin bestehe, dass wir keinen unmittelbaren Zugang zur Empirie haben, uns diese vielmehr über Basis- oder Protokollsätze verfügbar machen müssen. Er schrieb dazu: „Logisch betrachtet geht die Prüfung der Theorie auf Basissätze zurück, und diese werden durch Festsetzung anerkannt. Festsetzungen sind es somit, die über das Schicksal der Theorie entscheiden“ (S. 73)[3]. Und er fügt hinzu: „So ist die empirische Basis der objektiven Wissenschaft nichts ‚Absolutes‘; die Wissenschaft baut nicht auf Felsengrund. Es ist eher ein Sumpfland….“ (S. 75) [3]. Tatsächlich lege die Scientific Community fest, welche Sätze über Beobachtungen als gültig anerkannt werden sollen. Also Sozialkonstruktivismus aller Orten, auch schon bei Popper.
Ein (nicht nur) für die Soziologie tauglicher Begriff von Wissenschaft muss nach meinem Verständnis nicht nur die soziale Konstruiertheit jeder wissenschaftlichen Aussage anerkennen, er muss auch plausibilisieren können, wie Wissenschaft zu tatsächlich neuem Wissen kommt. Wie werden eigentlich neue Theorien erzeugt? Popper hat es als Erkenntnislogiker da einfach: Für ihn ist es im Prinzip einerlei, woher die Theorie stammt und wie sie zustande kommt, solange sie nur an der Erfahrung scheitern kann. Und methodologischen Spezialprobleme der Soziologie hatte er ohnehin nicht im Focus. Aber die DFG wäre vermutlich not amused, wollten wir Projekte beantragen, die willkürlich ausgedachte soziologische Theoriekonstrukte empirisch testen wollen. Tatsächlich ist Theoriegenese eine genuine Leistung wissenschaftlicher Kreativität, die schon forschungslogisch anders prozessiert als der klassische Theorietest. Mit methodenmonistischen Positionen a là Carl G. Hempel [4] kommen wir da nicht weiter.
Mit Debatten über purifizierte Methoden vermutlich auch nicht. Wenn wir etwas über die Angemessenheit theoretisch-empirisch-methodischer Zugänge zu sozialen Phänomenen lernen wollen, dann bietet sich vielleicht eher an, was Christoph Deutschmann [5] vorschlägt: Fragen wir doch nach Beispielen für gute und erfolgreiche Studien, die das Wissen der Gesellschaft über sich unbestritten gemehrt hat, und fragen rückwirkend, wie diese Studien zustande gekommen sind. Dann ginge es nicht um methodische Reinheitsgebote, sondern um Ergebnisorientierung.
Es würde sich dann auch sehr schnell zeigen, dass es in diesem Sinne „gute“ empirische Forschung in ganz unterschiedlichen Theorie- und Methodentraditionen gibt. Was dabei als „gut“ anzuerkennen ist, lässt sich freilich nicht an messtheoretisch reduziert verstandenen Gütekriterien ablesen, sondern erfordert einen umfassenderen Zugriff. Fragen von Relevanz, Gegenstandsangemessenheit und Originalität der Forschung sind dabei mindestens ebenso bedeutsam wie die nach empirischer Sättigung und theoretischer Durchdringung.
All das spricht letztlich eher für produktiven Austausch innerhalb unseres Faches als für dessen Aufspaltung in ’sortenreine‘ Teil-Cluster, die unseren Gegenstand als Ganzen gar nicht mehr in den Blick nehmen können.
[2] Berger, R. (2016). Soziologie als theoriegeleitete empirische Sozialforschung: Axiome. Unveröff. Papier, Universität Leipzig.
[3] Popper, K. R. (1994). Logik der Forschung (2., erw. Aufl. ed.). Tübingen.
[4] Hempel, C. G. (1942). The function of general laws in history. The Journal of Philosophy, 39, 35-48.
[5] pers. Kommunikation, Okt. 2017
22.11.17

Strüber:
Mit einem Auge ist man halb blind: Von Einheit und Uneinigkeit der Soziologie
Prolog 
Ich habe ein durchaus emphatisches Verhältnis zu meinem Fach, der Soziologie. Meines Erachtens ist sie –  neben der Sozialanthropologie – die Grundlagenwissenschaft für alle mit Sozialität oder Gesellschaftlichkeit verbundenen Fragen und informiert damit auch viele unserer Nachbarfächer, wie Politologie, Erziehungswissenschaft oder empirische Kulturwissenschaft. Zugleich liefert sie differenzierte und reflektierte Diagnosen der Gegenwartsgesellschaften und ihrer Probleme. Daher lässt es mich nicht unberührt, wenn eine Gruppe von Vertreterinnen und Vertretern unseres Faches den Begriff für sich reklamieren und ihn dabei inhaltlich so ausdünnen, dass – wie ich behaupten möchte – wesentliche Leistungen und zentrale Funktionsweisen der Soziologie als akademischer Disziplin verloren zu gehen drohen. Um Schaden vom Fach Soziologie in Deutschland abzuwenden, bedarf es dringend einer gründlichen Debatte über einige inhaltliche Grundfragen, aber auch über professionspolitische Strategien. Eine Debatte, die ich mit diesem Blog anstoßen möchte, von der ich mir aber wünsche, dass viele Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Traditionen, ‚Schulen‘ und ‚Lagern‘ unseres Faches ihre Perspektive dazu beisteuern. Und die Debatte sollte nicht auf diesen Blog beschränkt bleiben, sondern auf den Fluren der Institute ebenso stattfinden wie auf Tagungen und in der medialen Öffentlichkeit.
Das erfreuliche an den Wissenschaften ist, dass das Streiten zu ihren vornehmsten Verkehrsformen gehört. Nicht nur ist das Bessere der Feind des Guten, auch die Urteile darüber was als besser gelten soll, gehen häufig und oft mit guten Gründen auseinander und führen im Idealfall zu gelehrten Disputen. Hoffen wir, dass dieser Idealfall auch hier eintritt.
Worum es geht
Wer die Debatten der letzten Monate verfolgt hat, wird wissen, um was es hier gehen soll: Die im Juli diesen Jahres von einer Gruppe quantitativer Sozialforscherinnen und Sozialforscher gegründete sogenannte „Akademie für Soziologie“ hat einerseits zu Recht, aber leider nur implizit, auf Unzulänglichkeiten in der DGS aufmerksam gemacht: Mangelnde Transparenz bei der Gremienbesetzung, wenig ausgewogene Repräsentation der verschiedenen Strömungen innerhalb des Faches in Konzil und Vorstand, mangelnde Repräsentation der Sektionen in der Willensbildung der DGS, aber auch eine übertriebene Politisierung der soziologischen Argumentation mitunter auf Kosten der fachlichen Qualität. All das kann man mit gutem Recht mahnend ansprechen und Abhilfe einfordern. Der Akademie-Initiative [1] aber geht es andererseits nicht einfach um innerorganisatorische Manöverkritik oder um das Ingangsetzen eines organisationalen Reformprozesses. Sie verstehen die Akademie-Gründung als Kampfansage an und Konkurrenz zur DGS – und schrauben dafür dort gleich einmal das Namensschild ab, um es an der neuen eigenen Haustür anzubringen.
Man kann das empörend finden, ich finde es aber vor allem nicht besonders weise. Denn die neu gegründete Akademie verhält sich zur DGS in etwa wie eine Business School zu einer Volluniversität: Ein methodisch, theoretisch und inhaltlich schmales Segment unseres Faches organisiert sich dort in einer Weise, die wesentliche andere Theorieströmungen, Methodentraditionen und Forschungsfelder exkludiert und sich nach Art der Anwendungsforschung auf Wissenstransfer in die Gesellschaft beschränkt. Das wird auf Dauer für die Akademie-Mitglieder wenig  befriedigend sein, lässt aber eben auch die DGS unvollständig zurück. Klüger erschiene es mir, den fachlichen aber auch den professionspolitischen Diskurs innerhalb der DGS neu zu beleben, Widersprüche auszuhalten und produktiv zu wenden.
Methoden-Schisma und Theorie-Monopole: Wege ins Abseits
Mitunter scheint sich der Eindruck festzusetzen, die mit der Akademie-Gründung verbundene Strategie ziele vor allem auf das Methoden-Schisma in der Soziologie und den Sozialwissenschaften insgesamt. Immerhin favorisiert der Gründungsaufruf der Akademie recht eindeutig Forschung mit quantitativen Daten in einer nomologisch-deduktiven Manier. Tatsächlich aber geht es nicht allein um eine Auseinandersetzung zwischen standardisiert-quantifizierenden und qualitativ-interpretativen Methoden. Es geht mindestens ebenso sehr auch um Theorie-Pluralismus in sozial-, wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Fragen, um die Bestimmung der Aufgaben der Soziologie, die Rolle des Politischen in den Wissenschaften. Es geht um nicht weniger als das Selbstverständnis unseres Faches, der Soziologie.
Ich will das kurz illustrieren: In einem von Roger Berger verfassten Papier [2], das dem Gründungsaufruf voranging und das in Mailinglisten quantitativer Sozialforscherinnen kursierte, wird sorgenvoll konstatiert, das Fach Soziologie könne sich seit seiner Gründung als akademische Disziplin „auf nichts einigen“ und gemutmaßt, dass diese Uneinigkeit zuvörderst aus einem Dissens „über die Grundannahmen zum Gegenstand und zur Methode des Fachs“ resultiert, über Axiome also, die nicht beweisbar sind und einfach nur „akzeptiert oder abgelehnt“ werden könnten. Vermutlich würde niemand in der Soziologie die Diagnose ernstlich bezweifeln. Spannender ist es allerdings zu prüfen, warum dieser Befund zum Ausgangspunkt einer Problembeschreibung gemacht wird, statt ihn für den Ausdruck zentraler Qualitäten der Soziologie als eines multiparadigmatischen Faches zu nehmen. Warum sollte es eigentlich schlecht sein, wenn wir uns in einer Wissenschaft nicht auf eine unbewiesene (weil eben unbeweisbare) axiomatische Grundposition festlegen, sondern eben diese Unentscheidbarkeit zum Ausgangspunkt einer Multiplizität theoretischer Perspektiven auf und methodischer Zugänge zu unseren empirischen Gegenständen machen?
Ein wichtiges Kriterium guter Forschung ist – darauf kann sich vermutlich dann doch das ganze Fach verständigen – die Gegenstandsangemessenheit der verwendeten Methoden und theoretischen Rahmungen. Wenn wir daran festhalten, dann könnte die Soziologie, die die Gründer der Akademie für sich reklamieren, allein solche Gegenstände erforschen, die sich der epistemologischen Perspektive eine „kritischen Realismus“, der Forschungslogik des Theorietests und dem Einsatz quantifizierender Verfahren fügen. Ganz zu schweigen von der absehbaren Beschränkung der theoretischen Perspektive auf Humankapitaltheorien und Rational Choice.
Es spricht aus meiner Sicht also wenig dafür, sich – wie im Beitrittsverfahren zur Akademie vorgesehen – per Selbstverpflichtung auf ein enges Theorie- und Methodenprogramm zu verpflichten. Es will mir auch ganz und gar nicht wissenschaftlich erscheinen, denn eine Wesensmerkmal von Wissenschaften ist doch, dass sie offen dafür sind, sich mit ihren Gegenständen weiter zu entwickeln.
Was ist der Job der Soziologie?
Sollte sich die Soziologie darauf beschränken, Gesellschaften möglichst präzise und vergleichend zu vermessen? Erschöpft sich unsere Aufgabe in so verstandenen Gegenwartdiagnosen von Gesellschaften? Sicher nicht. Es muss auch um nachvollziehende Prozessrekonstruktionen gehen: Wie sind Ungleichheitsverhältnisse entstanden, wie prozessieren sie im Alltag, wie werden sie dort reproziert? Wie hat sich ein bestimmter Sozialtypus herausgebildet? Welche Institutionen haben sich unter welchen Bedingungen entwickelt? In welche Praktiken ist das Alltagshandeln eingespannt und in welchen Situationen wird dieser Zusammenhang reflexiv aufgebrochen? Tatsächlich geht es aber um noch wesentlich mehr. Gerade weil Soziologie ein Teil der Gesellschaft ist, die sie untersuchen will, weil sie sich am Ende auch nur der interaktiven und sprachlichen Mittel bedienen, der Wahrnehmungsweisen befleißigen kann, die auch anderen Gesellschaftsmitgliedern zur Verfügung stehen, weil Soziologie also keinen privilegierten Beobachtungsposten außerhalb des Sozialen zu beziehen vermag, der sie von ihrem Untersuchungsgegenstand entkoppelt: Gerade deshalb muss die Soziologie immer wieder aufs Neue ihre Grundbegrifflichkeiten thematisieren: Was Handeln ist und was Gesellschaft, was wir als Institutionalisierung und was als Habitualisierung verstehen wollen, wie  Individuierung und wie Vergesellschaftung prozessieren, ist nicht in Stein gemeißelt, sondern Gegenstand des fachwissenschaftlichen Diskurses. Dieser generiert unterschiedliche, mitunter gar einander widersprechende Sichtweisen. Ist das movens sozialen Handelns besser in rationalen Wahlakten, in situierten Praktiken, in der Logik sozialer Systeme oder als Ergebnis internalisierter Normen konzeptualisiert? Die meisten von uns werden dazu eine Position haben. Soziologie wird daraus aber erst, wenn es sich dabei nicht um Glaubensbekenntnisse mit Alleinvertretungsanspruch handelt. Mit jeder dieser Perspektiven lassen sich unterschiedliche Aspekte und Dimensionen sozialer Phänomene sichtbar machen. Gerade dieser multiperspektivische Blick auf Gesellschaft scheint mir die Qualität unseres Faches auszumachen.

[2] Berger, R. (2016). Soziologie als theoriegeleitete empirische Sozialforschung: Axiome. Unveröff. Papier, Universität Leipzig.
Jörg Strübingsagt:
Lieber Herr Schlager,
es ist genau wie Sie sagen: „Bedingung der Möglichkeit für das Überprüfen von Theorien ist wiederum, dass es so etwas wie eine beobachterunabhängige soziale Wirklichkeit gibt“. Aber: Nur weil es die Bedingung der Möglichkeit ist, ist es noch lange nicht gegeben. Man kann es sich höchstens Wünschen, aber dasd hilft bekanntlich nicht immer. Was es gibt, sind zumindest sehr unterschiedliche Verständnisse davon, wie der Zusammenhang zwischen Welt/Umwelt und Handelnden/Interaktionen/Situationen beschaffen ist. Die Vorstellung einer universellen Realität ist eine dieser Vorstellungen. Die Idee einer Multiplizität beobachterabhängiger Realitäten, wie sie etwa aus pragmatistischer Perspektive von Mead vertreten wird, ist z.B. eine ganz andere. Beide Vorstellungen haben ihre Vorzüge, aber auch ihre Nachteile, und es lässt sich eben nicht per Setzung entscheiden, welche davon oder welche sonstige Vorstellung zutreffend ist. Wir befinden uns hier im Feld der axiomatischen Grundannahmen und müssen uns für konkrete Forschungen letztlich entscheiden, welcher Perspektive wir folgen wollen. Und wir müssen das offenlegen, also der Kritik zugänglich machen. Was wir aber nicht tun sollten: Die Soziologie qua Entscheid auf eine dieser Perspektiven verpflichten.
Und wir sind uns auch ganz einig, dass empirische Forschung ohne Theorie nicht funktionieren kann, eine Einsicht, die schon Einstein formuliert hat: 
„Aber vom prinzipiellen Standpunkt aus ist es ganz falsch eine Theorie nur auf beobachtbare Größen gründen zu wollen. Denn es ist ja in Wirklichkeit umgekehrt. Erst die Theorie entscheidet darüber was man beobachten kann.“ [1]
Nun kommt es aber darauf an, welchen Begriff von Theorie wir zugrunde legen und wie wir zu Theorien dieses Typs kommen. Auch da gibt es unterschiedliche Vorstellungen: Handlungstheorien, Interaktionstheorien und Systemtheorien sind schon mal eine relevante Unterscheidung. Eine andere hat Herbert Kalthoff herausgearbeitet: Er unterscheidet zwischen
„1. Theorien als beobachtungsleitenden Annahmen,
2. Theorien als aus empirschem Mateiral entwickelten Kategorien,
3. Theorien als beobachtbaren Phänomenen.“ [2]
Auch zwischen Sozialtheorien, die in sehr allgemeiner Weise darüber informieren, wie wir uns das Prozessieren von Sozialität und deren Beobachtbarkeit vorstellen können, Theorien mittlerer bzw. begrenzter Reichweite, die über begrenzte soziale Phänomene informieren, und Gesellschaftstheorien, die historische Gesellschafttypen oder -formationen charakterisieren [3].
Und selbstverständlich können Theorien auch Scheitern, vor allem dann, wenn auf ihrer Basis erfolgreichen Handeln bzw. Problemlösen nicht mehr funktioniert.
Und es bleibt die Frage: Wo kommen die Theorien eigentlich her, wie werden sie generiert. Diese Frage bleibt in dem von den Akademie-Gründerinnen als gesetzt betrachteten Modell unterbelichtet.

[1] Einstein zitiert nach Heisenberg 1969: Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umkreis der Atomphysik, München, S.92
[2] Kalthoff, H. (2008). Einleitung: Zur Dialektik von qualitativer Forschung und soziologischer Theoriebildung. In H. Kalthoff, S. Hirschauer, & G. Lindemann (Hrsg..), Theoretische Empirie (S. 8–32). Frankfurt a. M..
[3] Lindemann, G. (2008). Theoriekonstruktion und empirische Forschung. In H. Kalthoff, S. Hirschauer, & G. Lindemann (Hrsg.), Theoretische Empirie (S.. 107–128). Frankfurt a. M..

Sonntag, 26. November 2017

Der souveräne Denker!

Ein genialer Vortrag zum notwendigen Eigensinn selbständigen Denkens, das das demokratische Querdenken als Karikatur des nur individualistisch begreifbaren echt-originellen Ausnahme-Denkens entlarvt!
Mittelmäßiges Denken beherrscht die massen- und konsensdemokratische Realität in der Politik, in Redaktionen und Fakultäten und verschließt sich emotional-ideologisch der Annäherung an objektive Realitäten, die aufgrund der Komplexität nur noch wenigen Ausnahme-Denkern, die über das notwendige, biologisch-genetisch seltene Abstraktionsvermögen verfügen, gelingt.
Der Teufelskreis der Massen- und Konsensdemokratie schließt sich selbstreferentiell, bis er überfordert durch die ignorierte Realität in sich zusammenbricht und/oder revolutionär gesprengt wird.


Datum: 23.06.2017 Ort: ZKM, Karlsruhe Vortragender:…

Dienstag, 21. November 2017

Armin Nassehi operiert konstruktivistisch!





Na und!?
Besonnen und optimistisch bleiben, sagt der wortgewaltige und medial erfolgreichste Soziologe und Komplexitätsideologe Armin Nassehi!

Niemand will die Kosten für die Sicherheitsvorkehrungen übernehmen.
BERLINER-KURIER.DE

Irgendwas tut Ihnen weh. Kann ich analgetisch helfen?

Gerhard Schwartz Ja, sehr weh, stimmt! Selbstverständlich können Sie mir helfen! Putzen Sie Ihre emotional-ideologische, sozialkonstruktivistische Brille und riskieren einen sozialrealistischen Blick auf die Gesellschaft trotz der faszinierenden, sozialphilosophischen Begriffsakrobatik meines Lehrers Luhmann. Helfen Sie der Soziologie dabei, endlich zu einer Wissenschaft zu werden.

Armin Nassehi · 7 Gemeinsame Freunde
Gerhard Schwartz ich fürchte, der Schmerz hat andere Ursachen, wenn Sie bei einem Artikel zu irgendeinem beliebigen Thema unvermittelt auf mich kommen. Das würde ich tatsächlich niemandem wünschen. Aber die Konstellation legt nahe, dass die Sache nur auf Ihrer Seite therapierbar ist. Therapiebereitschaft und Leidensdruck korrelieren meistens. Insofern besteht realistische (sic!) Hoffnung. Mit ehrlichen Genesungswünschen, AN

Gerhard Schwartz Postmodern-relativistisch ist es natürlich wahrscheinlich, Armin Nassehi, dass Ihr Sozialkonstruktivismus Sie auch zu exzellenten, psychotherapeutisch fundierten Ferndiagnosen befähigt. Als Gestalttherapeut finde ich das faszinierend. Ihre hilflose, hier wiederholte Ablenkung vom Thema "Konstruktivismus/Realismus" bestätigt außerdem die interaktionistisch-psychologisierende Sackgasse der Hochschul-Soziologie. Das Migrantenproblem, den Islam/Islamismus in Deutschland als "irgendein beliebiges Thema" zu qualifizieren, ist eine Ihrer sozialkonstruktivistischen Höchstleistungen, die konsequent die sozialrealistische Annäherung an objektive Wahrheiten vermeiden. Meine Ferndiagnose, wenn ich mich auf Ihr Kompetenzniveau herablasse, geht in dieser Hinsicht eher in Richtung "Wahnvorstellung", der der subjektive Leidensdruck fehlt.


Gerhard Schwartz Danke! Sophistischer Unfug ist hervorragend geeignet, Schreibstil und Rhetorik zu üben, die mich in meinem ersten Leben nicht interessiert haben, aber jetzt eine gewisse Relevanz bekommen. Ansonsten wären diese Machtspielchen natürlich reine Zeitverschwendung für Menschen, denen es um die Annäherung an objektive Wirklichkeiten und Wahrheiten geht.
Lars Steinmann Ja, denken Sie denn, dass die akademische Soziologie noch irgend etwas Relevantes zustandebringt? Ich bin da skeptisch. "Das Klappern der Mühle höre ich wohl, allein ich sehe das Mehl nicht."
Gerhard Schwartz Nein, auf keinen Fall, die akademische Soziologie hat sich emotional-ideologisch so verbarrikadiert, wunderbar verankert im Zeitgeist des postmodernen Relativismus, dass eine Reform von innen nahezu unmöglich ist. Wer sich in das System hineinbegibt, muss mitspielen, sonst hat er keine Aufstiegs- oder mittlerweile so gar Verweilchancen. Allerdings schließt das einen langfristigen rationalen Optimismus (Matt Ridley), den ich teile, nicht aus. Es gibt eine ideale Struktur der Wissenschaft im Sinne Platos und/oder Kurt Gödel's, die durch die evolutionäre Erkenntnistheorie gedeckt wird: „Die Wissenschaft (an sich, G.Sch.) ist von jedem Kulturrelativismus ausgenommen.
...
Denn während es in der belebten Natur nicht nur möglich, sondern üblich ist, daß die verschiedenen Arten von Lebewesen im selben Lebensraum nebeneinander existieren können (was allerdings beim Menschen aufgrund des Macht-Mechanismus auf Dauer ohne Hierarchie nicht der Fall ist, G.Sch.), ist das Nebeneinander zweier einander sich widersprechender Theorien, die sich auf denselben Gegenstand beziehen, zumindest auf Dauer unmöglich. Früher oder später wird die eine von ihnen untergehen oder es gehen beide zugrunde und werden von einer dritten neuen Theorie ersetzt.“ (Oeser 1988: 19)
Lars Steinmann Schon der mittlere und spätere Luhmann hat ja was Leeres und Esoterisches, den Charakter von Glasperlenspielerei. Kann mich noch an Helmuth Willke erinnern, der auf Biegen und Brechen eine "Anwendung" des Ganzen suchte - macht der glaube ich immer noch. Aber die epigonischen Zwerge nach Luhmann sind nun m.E. kaum noch interessant.
Gerhard Schwartz Manchmal reift eine Theorie eben nicht, sondern verfault, bevor sie "essbar" ist. 1983 war ich in Bielefeld fasziniert von Niklas Luhmann (im Verhältnis zu marxistischen und individualistischen, ideologischen Einseitigkeiten), heute bin ich entsetzt über die komplexitätsideologische, rhetorisch aufgeblasene Beliebigkeit der soziologischen Systemtheorie!
Lars Steinmann Das geht mir ganz genau so. Ich persönlich finde sogar Marx oder andere founding fathers sogar anregender und frischer heutzutage.
Gerhard Schwartz Émile Durkheim (bedingt auch Auguste Comte) ist für mich z.B. in dieser Hinsicht entscheidend und wissenschaftsfähiger als die meisten modernen Soziologen mit ihren Viertelwahrheiten ohne die rationale Intuition für die Gestalt des Ganzen und sogar Marx, allerdings als Soziologe ("Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein."), hat einen fundamentalen Beitrag geleistet.

Samstag, 18. November 2017

Spaß, Dekadenz und Gewalt!

Der Spaß an und in der Dekadenz!

Viele kritische Zeitgenossen vergessen, wieviel Kreativität (in einem gewissen Umfang) und äußerst unterhaltsames absurdes Theater in Zeiten der Anarchie, des Nihilismus und der Dekadenz die Menschen beglückt!

Naive Sozialkonstruktivisten und Gesinnungsethiker übersehen dabei, dass diese extreme Freiheit auch ZWANGSLÄUFIG Hass, Gewalt, und egozentrisch-rücksichtslose Befriedigung eigener Wünsche mit ALLEN Mitteln zur Folge hat, die Kehrseite von Liebe zu Menschen, Tieren und der Betonung des Schönen und Guten.

Zuletzt war das in der Weimarer Republik der Fall (der Nationalsozialismus war die Gegenreaktion) und in der Revolte 1968 mit der RAF z.B. als kurzfristige Gegenreaktion.

Wir haben im Moment wieder unglaublich viel Spaß, unbegrenzte Möglichkeiten lauern postmodern-relativistisch an jeder Ecke und wir sind ja so wahnsinnig kreativ,..........!!!?????

Der Mensch ist ein soziales, symbolisch gesteuertes Tier, das tränenreiches Mitleid haben kann, mit einem ertrunkenen Jungen in 3000 Kilometern Entfernung und Konzentrationslager baut, um jüdische Kinder eiskalt zu vergasen!


Das ist die GANZE Geschichte, die sozialrealistisch-wissenschaftlich begriffen werden könnte!

Dienstag, 14. November 2017

Der Sozialrealismus der Archetypen!


Die Soziologie des Unbewussten!

Jung hat mit seinem Konzept der "Archetypen" eine Basis gelegt für die wissenschaftlich-rationale Erfassung a-rationaler, individueller und kollektiver Dimensionen menschlichen Verhaltens.

Der Mensch als soziales, symbolisch gesteuertes "Tier", die anthropologische Formel für eine sozialrealistisch-wissenschaftlich Soziologie, wird dadurch u.a. verständlich.

Die naturwissenschaftliche Methodologie, die zu einem gewaltigen Fortschritt im physikalisch- technologischen Umfeld geführt hat, muss erweitert werden und die Natur als Einheit von Geist und Materie begreifen, wie sie z.B. Spinoza formuliert hat.

Auf dieser Grundlage ist auch eine naturwissenschaftlich akzeptable Methodologie für die Soziologie formulierbar (z.B. der von mir angedeutete "methodologische Strukturalismus").


Ein Gedanke ist z.B. eine objektive, nichtmaterielle Realität, die die materielle Realität, wenn er umgesetzt wird, messbar verändern und gestalten kann.
Er ist nur indirekt durch die Wirkung empirisch erforschbar, aber mit solchen abstrakten Konzepten arbeitet die Physik seit jeher. Kausalität ist ein abstraktes Konzept.


Diese 11 Minuten bieten einen auf den Punkt gebrauchten Einstieg in die psychosoziale Dimension des Unbewussten und die a-rationalen, evolutionären Rahmenbedingungen, die zur naturwissenschaftlichen Erklärung sozialer Prozesse führen kann und muss, wenn die Menschheit ihren dramatischen Erfolg im physikalisch-technologischen Bereich auf Augenhöhe begegnen will, um Katastrophen zu verhindern!

Dass diese unwahrscheinliche Möglichkeit Wirklichkeit werden wird, ist für einen rationalen Optimisten (auf lange Sicht) wahrscheinlich! 

In this video we investigate what Carl Jung called archetypes, explaining what they are, how they influence our lives, their…

Montag, 6. November 2017

Der wissenschaftliche Abgrund!

Systemarchetypen

Der wissenschaftliche Abgrund zwischen der erfolgreichen systemischen Probier-Praxis und dem wortgewaltigen, elitären Soziotainment systemtheoretischer Sozialphilosophie.

Wissenschaft

Ein anderer Affe als das soziale, symbolisch gesteuerte Tier „Mensch“ ist in der Lage, die Bibel zu schreiben, wenn er zufällig Buchstaben auswählt und unendlich viel Zeit hat.
Er hat es aber bisher noch nicht „geschafft“, jüdische Kinder zu vergasen, Atombomben zu bauen und abzuwerfen und die Meere mit Plastikmüll evolutionär zu bereichern.

Das unterscheidet ihn vom Affen „Mensch“ und hier fängt eine sozialrealistisch-wissenschaftliche Soziologie an, die diese sozialen Prozesse erklären will, soll und kann, jenseits moralistisch-sozialkonstruktivistischer Wunsch-Phantastereien bzw. der emotional-ideologisch motivierten Perversion von statistischen Ausnahmen zu statistisch-normalem Verhalten, um das es in der Soziologie geht.

Der Physiker David Deutsch, ein platonischer Realist, betont die Einheit der Natur und hat das Wesen der wissenschaftlichen Prozesse seit Beginn der Aufklärung herausgearbeitet, die den revolutionären, gewaltigen Zuwachs an Wissen eingeleitet hat.

Die Soziologie befindet sich damit verglichen noch auf einem pubertären, vorwissenschaftlichen Niveau, das die Hilflosigkeit gegenüber den katastrophalen, sozialen Prozessen im Umgang mit dem rasanten technologischen Fortschritt begründet.

Wie aus der Naturphilosophie die Naturwissenschaften entsprungen sind und sich emergent verselbständigt haben, steht dieser Schritt von der Sozialphilosophie zur Sozialwissenschaft (insbesondere Soziologie), die die Bezeichnung „Wissenschaft“ verdient, noch bevor.

Das wichtigste Element, das Wissenschaft ausmacht, sind gute ERKLÄRUNGEN vor dem Hintergrund überzeugender Theorien, die rational-intuitiv (Kurt Gödel/Unvollständigkeitstheoreme) entwickelt werden:
„For most of the history of our species, we had almost no success in creating such knowledge. Where does it come from? Empiricism said that we derive it from sensory experience. This is false. The real source of our theories is conjecture, and the real source of our knowledge is conjecture alternating with criticism.
...
The role of experiment and observation is to chose between existing theories, not to be source of new ones. We interpret experiences through explanatory theories, but true explanations are not obvious. Fallabilism entails not looking to authorities but instead acknowledging that we may always be mistaken, and trying to correct errors. We do so by seeking good explanations- explanations that are hard to vary in the sense that changing the details would ruin the explanation.“ (Deutsch 2011: 32)

Systemische Probier-Spiele

Auf der anderen Seite haben sich seit Beginn der Aufklärung eine Demokratisierung des Denkens und eine dementsprechende Änderung des durchschnittlichen Abstraktionsniveaus ergeben.

Der Rationalismus (Descartes, Spinoza, Leibniz) hat sich mit demokratisch-empirischer Kontrolle auf die Wissenschaft verlagert und durch die Orientierung an theoretisch-abstrakt fundierten Erklärungen jenseits von Autoritätsgläubigkeit gewaltige Fortschritte erzielt.

Dass denkfähige, systemisch arbeitende Praktiker noch Zugang zu dieser abstrakten Dimension ihres Hintergrundes haben, zeigt ein Gedanke von Donella H. Meadows:
„I don’t deal with the most abstract theories and am interested in analysis only when i can see how it helps solve real problems. When the abstract end of systems theory does that, which I believe it will some day, another book will have to be written.“ (Meadows 2008: IX)

Den deutschen Systemtheoretiker Luhmann sucht man bei der international etablierten systemischen Praxis vergebens, er wird nicht einmal im Literaturverzeichnis erwähnt.

Heuristisch können seine Arbeiten allerdings sehr wohl anregend sein für eine sozialrealistisch-wissenschaftliche Soziologie, wenn sie vom sozialkonstruktivistischen Ballast befreit und ontologisch-kausal im Sinne des von mir angedeuteten „methodologischen Strukturalismus“ wahrscheinlichkeitstheoretisch umformuliert werden. Am Beispiel der „Autopoiese“ könnte das prominent demonstriert werden.

Meadows arbeitet wie alle erfolgreichen systemischen Praktiker mit der intuitiven Wahrnehmung der Wirkung von System-Strukturen auf das Verhalten der beteiligten Individuen. Ihr Erfolg ist persönlichkeits- und nicht theoretisch-wissenschaftlich-bedingt.

Ihre Definition der Strukturen, die sie Archetypen nennt, ist erstaunlicherweise identisch mit der von mir verwendeten Fassung von relational entstehenden, sich ontologisch verselbständigenden Strukturen:
„Common system structures that produce characteristic patterns of behavior“ (Meadows 2008: 187)

Der Begriff „Systemarchetyp“ stammt vom Guru der systemischen Organisationsarbeit Peter M. Senge: „Systemarchetyp ist ein vom US-Amerikaner Peter M. Senge kreierter Begriff zur systemischen Beschreibung und Darstellung von generischen Strukturen häufig beobachtbarer Verhaltensmuster von Menschen.“ (wikipedia)

Es geht ihm also um die abstrakten Verhaltensmuster der Individuen, die er damit beschreibt und NICHT um die Erklärung dieser Verhaltensmuster durch eine sich verselbständigende Struktur, die eine wissenschaftliche Theorie voraussetzen würde. Der Blick bleibt systemisch-individualistisch, wie üblich innerhalb des materialistisch-interaktionistischen Paradigmas.

So beschreibt Meadows ein System wie folgt:
„A set of elements or parts that is coherently organized and interconnected in a pattern or structure that produces a characterstic set of behaviors, often classified as its ‚function’ or ‚purpose’.“ (Meadows 2008: 188)
Eine immaterielle, physisch wirksame, REALE Struktur, die die Verhaltensverteilung in Systemen verursacht, kommt im Programm nicht vor, da die Beteiligten primär als rationale operierende Akteure konzipiert werden, die jederzeit aktiv das System und die Strukturen gestalten.

In den Naturwissenschaften taucht das Problem abstrakter Strukturen genauso auf, wenn es um die wissenschaftlich immer angestrebte Vereinheitlichung von separaten Theorien geht.
David Deutsch, auch Autor der „Fabric of Reality“, bietet mit seiner „Konstruktor-Theorie“ eine gewöhnungsbedürftige und nicht leicht nachvollziehbare, aber letztlich logisch und ontologisch schlüssige Informationstheorie an, die ein neues Fundament für die Integration der Quantenmechanik, der Evolutionstheorie und der Quanten-Informatik bietet.

Zu den Themen „Emergenz und Abstraktion“ schreibt er scharfsinnig:
„Reductionism and holism are both mistakes. In reality, explanations do not form a hierarchy with the lowest level being the most fundamental. Rather, explanations at any level of emergence can be fundamental. Abstract entities are real, and can play a role in causing physical phenomena. Causation is itself an abstraction.“ (Deutsch 2011: 124)

Der defizitäre Umgang mit abstrakten Konzepten und Strukturen blockiert in der Soziologie den sozialrealistischen Zugang zum Verhältnis von Strukturen und den beteiligten Individuen.

Auch Kurt Gödel, der geniale Logiker und Mathematiker (Unvollständigkeitstheoreme), hat den dominierenden Materialismus als Irrweg der Wissenschaft angesehen.

Eigentlich naheliegend, wenn man bedenkt, dass man einen Gedanken nicht anfassen kann, er aber unbestreitbar real ist und eine physisch-materielle, messbare Wirkung haben kann.

Der an anderer Stelle von mir angedeutete „methodologische Strukturalismus“ berücksichtigt die relationale Dimension der Struktur, die emergente Eigenschaften entwickelt, die NICHT auf die statistisch-normalen Aktionen der Individuen reduzierbar sind.

Er schließt sich letztendlich an den postmodern vernachlässigten und/oder methodologisch individualisierten Geist Durkheims an, nicht zu verwechseln mit der philologisch-historischen Buchstaben-Exegese, die eine fruchtbare Weiterentwicklung seiner Grundgedanken blockiert.

„Laut Durkheim ist ein sozialer Tatbestand „(...) jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben; oder auch, die im Bereiche einer gegebenen Gesellschaft allgemein auftritt, wobei sie ein von ihren individuellen Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt.“[1]“....
„Der Zwang wird aber lediglich unbewusst wahrgenommen und erst dann Gegenstand von Reflexion, wenn man sich außerhalb der durch den sozialen Tatbestand gesteckten Grenzen befindet.“ (wikipedia)
Durkheim spricht dabei bekanntermaßen von einem „kollektiven Bewusstsein“.
Von hieraus ist der Weg nicht mehr weit zu der von mir angedeuteten „Soziologie des Unbewussten“, die formale Strukturen als physisch realisierte Produkte menschlichen Denkens (Phänomen/Wirklichkeit) und seines unbewussten Hintergrundes (Realität) begreift.

Archetypen

Vor Durkheim wurde das Unbewusste implizit und explizit von Philosophen wie z.B. Plato, Spinoza (Theorie der Affekte), Schopenhauer (Wille), Nietzsche (Macht), Hegel (Weltgeist) prominent behandelt.
Während seiner Zeit wurde es vor allen Dingen von Le Bon („Psychologie der Massen“) und von E. v. Hartmann („Philosophie des Unbewussten“) thematisiert.

Nach ihm haben u.a. Freud, C.G. Jung, Pawlow, die Gestaltpsychologie, Goebbels und der Nationalsozialismus, die Werbewirtschaft/Propaganda und aktuell die Kognitionswissenschaften das Unbewusste weiter erforscht und/oder benutzt.

Der Marlboro-Cowboy reitet Menschen ebenso zu Tode vor dem Hintergrund einer perversen Freiheitsideologie wie Goebbels sie bis zum „Wollt ihr den totalen Krieg?“ verrecken und aus Überzeugung „Ja!“ schreien ließ.

„Symbole transportieren implizite, kulturell gelernte Bedeutungen besonders effizient. Symbole können unmittelbar Verhaltensprogramme im Autopiloten aktivieren.“ (Scheier/Held 2008: 75)

Nicht die individuell-bewusste Motivation steuert das Verhalten, sondern wie das „Züricher Modell der sozialen Motivation“ von Norbert Bischof es formuliert, grundlegende, implizit-unbewusst auslösende Motive wie „Sicherheit“, „Erregung/Abenteuer“ oder „Unabhängigkeit“. (s. Scheier/Held 2008)

Dass das Bewusstsein für die Erklärung des sozialen Verhaltens nur sehr bedingt, wenn überhaupt, eine Rolle spielt, beweist nicht nur das berühmte Libet-Experiment, sondern auch weitergehende psychologische Forschungen, die davon ausgehen, dass es primär ein Gefühl ist (awareness), das dazu dient, Handlungen zu rationalisieren, also sie nachträglich zu begründen und persönlich zuzuordnen (Wegener 2002).

Das Bewusstsein ist die emergente Spitz des Eisbergs des individuellen (s. Freud) und kollektiven (s. C.G. Jung) Unbewussten auf dem Meer des kosmischen Unbewussten, das dann wiederum oft begriffsverwirrend in bestimmten Denkrichtungen das Bewusstsein genannt wird, obwohl es mit dem individuellen Bewusstsein nichts zu tun hat.

Welche Verbindung zwischen den archetypisch-symbolischen Bildern auf der Ebene gesellschaftlicher und sozialer Strukturen und den genetisch-biologisch angelegten Strukturen auf der individuellen Ebene die Verhaltenssteuerung der Masse/Mehrheit i.S. einer wahrscheinlichkeitstheoretisch beschreibbaren Verhaltensverteilung erklären und verursachen könnte, deutet der Neurobiologe und Stanford-Professor Sapolsky an:
"Das zeigt, wie tief die Macht solcher Symbole in unserer Biologie verankert ist. Die Zahl der Morde, die im Laufe der Geschichte mit religiösen Symbolen in Zusammenhang standen., ist außerordentlich hoch.
...
Studien zeigen, dass Fußballfans bei einem Spiel einem Verletzten eher helfen, wenn er die gleichen Teamfarben trägt. Warum? Weil Ihr Hirn aufgrund von Symbolen und Zeichen innerhalb von Millisekunden entscheidet, ob sie jemandem helfen oder nicht. Symbole sind sehr mächtig." (Sapolsky, R.: "Kein Pavian würde sich wie Trump benehmen" im Stern vom 5.10.17, S. 111)

So verweist der Gebrauch des Begriffs Systemarchetypen der systemisch erfolgreichen Praktiker, obwohl er nur sehr vage mit der Systemtheorie und der Fassung des Begriffs Archetyp von C.G.Jung zusammenhängt, ungewollt und implizit auf die rational-wissenschaftlich mögliche Erfassung der a-rationalen Grundlagen des Verhaltens des sozialen, symbolisch gesteuerten Tiers Mensch.

Die Soziologie ist zwar wissenschaftlich abgestürzt wie ein Computer (Wagner 2012), aber ein Neuanfang als wissenschaftlich ernstzunehmende Struktur-Soziologie auf den Schultern von Durkheim ist möglich und dringend nötig.

Das elende Mikro-Makro-Problem der Soziologie, wird durch den „methodologischen Strukturalismus“ wahrscheinlichkeitstheoretisch aufgelöst. Ausnahmen und Regel sozialen Verhaltens werden berücksichtigt und erklärt.

Der Mensch ist, soziologisch gesehen, ein soziales, symbolisch gesteuertes Tier!
Er muss sich selbst als Teil der Natur begreifen und die sozialen Naturgesetze genauso wissenschaftlich erforschen wie die physikalischen, wenn er nicht an seinem anthropozentrischen Größenwahn scheitern und von der Natur evolutionär entsorgt werden will!
Emergenz markiert die ontologisch unterscheidbaren Ebenen der Natur.
Soziale Prozesse, Kultur und Gesellschaften gehören dazu.
Bei fundamentalen, sozialen Krisen ist die Zeit für Probier-Spiele zu knapp.
Eine kernsanierte, wissenschaftliche Soziologie ist möglich und tut not.


Deutsch, D. 2011: The Beginning of Infinity. Explanations that transform the world. New York: Penguin
Meadows, D.H. 2008: Thinking in Systems – A Primer-. White River Junction: Chelsea Green Publishing
Scheier, Ch./ Held, D. 2008: Wie Werbung wirkt. Erkenntnisse des Neuromarketing. Freiburg/Berlin/München: Haufe
Senge, P. 1990: The Fifth Dicipline: The Art and Practice of the Learning Organization. New York: Doubleday
Sopolsky, R. 2017: „Kein Pavian würde sich wie Trump benehmen“, Stern vom 5.10.2017, S.111/112
Wang, H. 1996: A Logical Journey. From Gödel to Philosophy. Cambridge/London: The MIT Press
Wagner, G. 2012: Die Wissenschaftstheorie der Soziologie. Ein Grundriss. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Wegner, D.M. 2002: The Illusion of Conscious Will. Cambridge: MIT Press