CharismatischeLehrer und die "Soziologie des Unbewussten"
Zuerst muss eine
entscheidende Unterscheidung klargemacht werden.
Charismatische
Lehrer, die Mathematik lehren, sind ein Geschenk für jeden Schüler.
Charismatische Lehrer, die eigene Ideen lehren sind ein
zweischneidiges Schwert für ihre Jünger, oft ein Fluch!
Hier geht es um
charismatische Lehrer mit eigenen Ideen!
Charismatische
Menschen faszinieren, ziehen andere Menschen in ihren Bann. Im 20.
Jahrhundert war wohl Hitler der charismatischste Mensch, der eine
ganze Gesellschaft hypnotisierte, Marlon Brando brauchte nur in die
Kamera zu schauen und jeder sah hin und schwieg (ein Geschenk für
fast jeden Zuschauer), Baghwan (heute Osho genannt) lehrte
Authentizität und machte aus Möchte-Gern-Revolutionären
autoritätshörige Jünger !
Charismatiker
zwingen das Denken, inne zu halten und sprechen das Unbewusste an, in
einem dramatischen Ausmaß. Danach wird das Denken des Gebannten von
den charismatischen Wirkungen gelenkt und das Gefühls“denken“
innerhalb der Wohlfühlzone beginnt.
Wenn ein
charismatischer Lehrer sagt: „Sei authentisch“ ist das genau so
paradox wie das oft zitierte „Sei spontan!“.
Wie und was lehrt
ein charismatischer Mensch?
Ein charismatischer
Lehrer lehrt durch seine Persönlichkeit. Die Inhalte werden
emotional vermittelt und von seinen Anhängern begeistert aufgesogen.
Die Vorbildfunktion
führt zu zufälligen Erfolgen, wenn die emotional-ideologische
Dimension der erzählten Geschichten mit der Wirklichkeit des Jüngers
an einigen Stellen harmoniert.
Eine systematische,
intellektuell fundierten Vermittlung durch einen charismatischen
Menschen, der eine eigene „Lehre“ entwickelt hat, ist ein
Widerspruch in sich.
Die Theorie der
kognitiven Dissonanz beweist, dass Widersprüche wie beim
Verliebtsein nicht wahrgenommen werden, sondern unbewusst aussortiert
werden, um das charismatische Bild nicht zu beflecken. Die objektive
Wirklichkeit wird zweitrangig.
Viele Charismatiker
weisen sogar darauf hin, dass sie nicht bewundert werden, sondern zum
eigenständigen Denken anregen wollen, damit ihre Zuhörer zu
authentischeren Menschen werden.
Eine nettes
konstruktivistisches, natürlich gut gemeintes Wunschdenken. Die
WIRKlichkeit könnte nicht weiter entfernt sein.
Warum bleibt es ein
wirklichkeitsfremdes Wunschdenken?
Ganz einfach, weil
Menschen soziale, symbolisch gesteuerte Tiere sind, deren Denken
strukturell von unbewussten Emotionen gesteuert werden.
Charismatische
Wirkungen münden immer in emotional-ideologischer Isolation.
Sogar, wenn die
Ideen einen wissenschaftlich-objektiven Anteil haben, geht dieser mit
dem Tod der charismatischen Bezugsperson meist unter oder taugt nur
noch für gedankenlose Bruchstück-Zitate ohne
gesamtgesellschaftliche Wirkung.
Ausnahmen sind
möglich, allerdings unwahrscheinlich, wenn die Kerninhalte der
charismatisch vermittelten Sichtweise auf ihren
objektiv-wissenschaftlichen Anteil jenseits der
emotional-ideologischen Vereinseitigung reduziert werden und die
universitäre Wissenschaft maßgebend verändern.
Damit ist der
Schöpfer der Ideen meist überfordert. Er weiß oft nicht einmal,
warum seine Ideen so erfolgreich sind und wenn er analytisch lehren
will, tauchen für unvoreingenommene Beobachter die
Widersprüchlichkeiten oder Halbwahrheiten wie Felsenriffe auf, die
von der emotional-ideologischen Flut der Begeisterung überschwemmt
wurden.