Soziologie-ein fliegender Holländer? https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be/2015/12/blog-post

Soziologie- ein fliegender Holländer?

Mein Artikel aus "soziologie heute", Oktober 2015, s. Blog-Artikel vom 2.12.2015

Montag, 30. Juni 2014

Willkommen in meinem Blog!

Als Soziologe und Gestalttherapeut fasziniert mich die Verbindung von INDIVIDUELLEM und KOLLEKTIV-GESELLSCHAFTLICHEM Unbewussten mit ihren philosophischen, psychologischen, soziologischen, wirtschaftlichen und politischen Implikationen.

Vor diesem Hintergrund entwickle ich eine neue Struktur-Soziologie, die ich methodologisch und theoretisch in einigen Beiträgen skizziere und andeute.

Jeder bereichernde Beitrag ist herzlich willkommen und kann auch als eigener Post gegebenenfalls unter Ihrem Namen veröffentlicht werden.
Die Illusion des Bewusstseins!?

Empirischer Nachweis der Neurowissenschaften:

1-7 Sek. vor der Entscheidung ist die Entscheidung bereits gefallen.

Die Priorität bzw. die Primärsteuerung des Verhaltens wird nach Freud und Nietzsche, die den Stellenwert des A-Rationalen und des Irrationalen zum Fundament Ihrer anthropologischen und gesellschaftskritischen Denkgebäude ausgemacht haben, empirisch-wissenschaftlich nachgewiesen.

In der Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften waren Pareto und Schumpeter Protagonisten ähnlicher Ansätze zum Verständnis von Mensch und Gesellschaft. Auch in diesen Wissenschaften gibt es moderne Neuentdeckungen des Themas, z.B. unter dem Stichwort , "das Implizite", "Soziologie der Emotionen" oder "behavioral economics/ finance"

Was bedeutet das für die Aufklärung, was für die Vorstellung vom Menschen als rational handelndes Wesen?

Was, wenn DER MENSCH nur in Ausnahmefällen primär rational handelt, aber die Menschen ansonsten auf die Masse bezogen hoffnungslos Ihren Trieben/Instinkten und den von DEM MENSCHEN geschaffenen Symbolen und archetypischen Wiederbelebungen in Kultur/Werbung/Propaganda ausgeliefert sind.

Wo bleibt da der ideale Diskurs im Verhältnis zur realen Kommunikation?
Was bedeutet das für die konsensorientierte Demokratie?
Was bedeutet diese Tatsache für das Denken?
Der Psychoanalytiker Lacan und das Unbewusste




Ein anderes Beispiel für die Relevanz des Unbewussten bezogen auf menschliches Verhalten sind die Arbeiten des Psychoanalytikers und Strukturalisten Jacques Lacan.

Die Verbindung zwischen den unbewusst steuernden Aspekten kollektiver, sozialer Strukturen und dem individuellen Unbewussten wird von Lacan sehr deutlich beschrieben, wenn er das Unbewusste „hinter“ dem Bewusstsein als „Sprache des Begehrens“ fasst, die das Reale vom Imaginären des Narzissmus trennt.

Eine wunderbare Charakterisierung unserer Gesellschaft insbesondere bezogen auf Werbung folgt hieraus nach Gerda Pagel:

„In der Überflußgesellschaft, die die Sprache des Konsums spricht, erscheint der Mangel (an Realem, G.Sch.) als ein materieller, der käuflich zu beheben ist. Hier, wo alle Grundbedürfnisse von der Dynamik der Wünsche getragen sind, wähnt sich der Mensch als Herr seiner Bedürfnisse und ist doch Sklave seines Begehrens. Denn gezielte Werbestrategien, die dauerhafte Bedürfnisbefriedigung verheißen, nähren uns gleichzeitig mit immer neuem Hunger, indem sie pausenlos neue Mängel suggeriert. Hier wird, wie U. Rosenfeld zu Recht bemerkt, der Mangel selbst produziert, „um ihn ökonomisch verwertbar zu machen […]. Es wird ein Begehren strukturiert, das beständig darauf abzielt, sich zu vervollständigen und zu vereinheitlichen; ein Begehren, das abzielt auf das> Haben-Wollen< um >Sein< zu können“.“
(Pagel 1999: 68)

Eine Sozialphilosophie oder eine Soziologie, die diese Zusammenhänge nicht berücksichtigt, wird zu einer Ideologie der Rationalität und des Subjektivismus, die Wunsch und Wirklichkeit verwechselt.
C.G. Jung und der Nationalsozialismus

C.G. Jung hat sich bekanntlich mit dem kollektiven Unbewussten beschäftigt und den archetypischen, von Mythen und Symbolen gesteuerten Grundlagen menschlichen Verhaltens.

Wenn wissenschaftliche Aussagen Prognosefähigkeit implizieren sollen, ist das folgende Zitat Jungs aus dem Jahre 1936 außerordentlich bemerkenswert:

„Ja es gibt nichts Böses, dem Menschen unter der Herrschaft eines Archetypus nicht anheimfallen können. Wenn vor dreißig Jahren jemand vorauszusagen gewagt hätte, daß die psychologische Entwicklung in Richtung eines Wiedererwachens mittelalterlicher Judenverfolgung gehen, daß Europa erneut vor den römischen Liktorenbündeln und unter dem Marschtritt der Legionen erzittern würde, daß man den römischen Gruß wiedereinführen könnte wie vor zweitausend Jahren, und daß statt des christlichen Kreuzes eine archaische Swastika Millionen von Kriegern zu Todesbereitschaft anködern würde – man hätte diesen Mann als einen mystischen Narren verschrien.“ (Jung 2001: 50)

Eine wunderbare Ergänzung zur „Banalität des Bösen“ von Hannah Arendt, wenn es um die soziologisch-theoretische Erfassung des Nationalsozialismus geht.

Also Vorsicht, Aufklärung kann zur Ideologie verkommen, wenn sie die eigene Wirklichkeit nicht selbstreflexiv relativiert.

Welcher Intellektuelle hat den Nationalsozialismus und damit die aktuelle Realität und seine Dramatik 1936 ähnlich realistisch öffentlich begriffen und die tatsächliche Entwicklung prognostiziert??

Wie realistisch war die Einschätzung der Rationalisten und Aufklärungs-Ideologen damals?
"How to start a Movement"

dazu ein Vortrag "How to start a movement"
http://www.ted.com/talks/derek_sivers_how_to_start_a_movemen...


Dies ist ein anschauliches Beispiel für die Macht des Unbewussten und zum Ablauf von sozialen Prozessen.

Hier wirkt das strukturell Unbewusste auf der Ebene der Gruppe (Führer, Follower, face-to-face-crowd) auf das individuelle Unbewusste der Nachahmer und VERURSACHT den sozialen Prozess.

Die doppelte Natur des Menschen als soziales Tier wird besonders deutlich, oder anders ausgedrückt die Einheit und die Differenz von Natur und Geist/Kultur.

Der „Verrückte“ (und seine kulturell eigenständige, SOZIOLOGISCH betrachtet bewusste Aktion) wird zum „Führer“. Der mutige Anschluss-Tänzer (Follower) HANDELT noch stark sozial eigenständig, SOZIOLOGISCH bewusst. Dann wird zunehmend deutlich, dass die Nachfolger sich instinktiv, SOZIOLOGISCH unbewusst VERHALTEN. Es erinnert an den bekannten Herdentrieb.

Übrigens wird auch die Gleichheits-Ideologie und die anthropologisch unterbelichtete Differenz zwischen Menschen deutlich. Es ist SOZIOLOGISCH unangemessen, von DEM Menschen zu sprechen.

Zuletzt ist es für die meisten nicht mehr möglich, NICHT mit zu tanzen. Es entsteht ein sozialer Sog, das verrückte Tanzen wird zur sozialen Normalität.

Diesem Sog können sich jetzt wiederum nur SOZIOLOGISCH bewusst HANDELNDE Menschen entziehen. Diese Nicht-Tänzer bilden jetzt wiederum die Ausnahme von der Regel.

PSYCHOLOGISCH betrachtet kann natürlich der „Verrückte“ zwanghaft handeln oder zum Beispiel bipolar gestört sein. Die zuletzt sich dem Sog entziehenden können PSYCHOLOGISCH von einer Sozialphobie oder extremer Schüchternheit gesteuert sein.

SOZIOLOGISCH, d.h. auf den SOZIALEN Prozess bezogen, spielt diese psychologischen Faktoren ebenso wenig eine Rolle wie die subjektiven Rationalisierungen der Beteiligten.

Deutlich wird auch, dass kulturelle und politische Strukturen die Wahrscheinlichkeit eines derartigen Prozesses determinieren.

In einer liberalen Hippie-Kultur z.B. , die verrücktes Tanzen als Zeichen von Freiheit wertet, sind solche Prozesse natürlich wahrscheinlicher als in einer totalitären Kultur, in der jede Verrücktheit als Bedrohung für die Stabilität des Systems angesehen und entsprechend geahndet wird.

Wenn es um fundamentale, strukturelle Veränderungen geht, muss ein vergleichbarer sozialer Prozess soziologisch zusätzlich unter dem Aspekt des Machtkampfes betrachtet werden.

Rassenstereotype



Ein Schlag ins Gesicht für überzeugte "Rationalisten" mit ihrer Vorstellung von bewusst sich steuernden und entscheidenden Individuen sind wissenschaftlich verifizierte Studien zu Rassenstereotypen.

Sie zeigen, wie soziale Stereotype und Bewertungen unbewusst und automatisch aktiviert werden:

„ Die Gesichtszüge bestimmen über Leben und Tod: Daten aus 44 Mordprozessen wurden analysiert. Fotografien der Beschuldigten wurden Studenten vorgelegt, die einschätzen sollten, ob die Gesichtszüge mehr oder weniger dem Stereotyp des schwarzen Amerikaners entsprechen.. Es zeigte sich ein signifikanter (p<0,05) Zusammenhang zwischen typisch „schwarzafrikanischen“ Gesichtszügen (wie sie von Studenten anhand von Fotografien der Beschuldigten eingeschätzt wurden) einerseits und der relativen Häufigkeit von Todesurteilen andererseits. Der Effekt zeigte sich nur bei den Fällen, wo ein Farbiger Täter und ein Weißer Opfer war; waren Opfer und Täter farbig, gab es keinen Effekt der Gesichtszüge auf das Urteil.“ (Spitzer 2007: 33)


Wissenschaftlich fehlt eine realistische Rassentheorie jenseits des emotional-ideologischen Klamauks beider Seiten.

Hier wird ein Anfang gemacht: