Soziologie-ein fliegender Holländer? https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be/2015/12/blog-post

Soziologie- ein fliegender Holländer?

Mein Artikel aus "soziologie heute", Oktober 2015, s. Blog-Artikel vom 2.12.2015

Dienstag, 19. Dezember 2017

Der Soziologe als Weihnachtsmann!


Wer brav war, bekommt ein Kompetenz-Geschenk von Prof. Jörg Strübing, dem soziologischen Zensur-Papst (s. Artikel in meinem Blog vom 28.11.17 ) und Weihnachtsmann aus Tübingen:

„Es geht stark auf Weihnachten zu, da wird es Zeit über gegenseitiges Verstehen nachzudenken (das sollte ja eine Kernkompetenz jedes Soziologen sein).
Also: Verstehen wir einander noch?“ (SozBlog am 18.1217)
Rührend, nicht wahr!?  Warum haben wir uns nicht wieder alle lieb?
Aber wer böse Wörter benutzt, bekommt die Rute, tiefenhermeneutisch-sprachspielend korrekt:
„Aber kehren wir zu unserem eigenen Fach zurück: Neben dem Begriff der ‚Evidenz‘, der auch in der Soziologie um sich greift, sind auch die Begriffe ‚Analyse‘, ‚Hypothese‘, ‚Erklärung‘, ‚wissenschaftlich‘, ‚repräsentativ‘, ‚Daten‘, ‚Empirie‘, ‚Theorie‘, ‚objektiv‘, ‚subjektiv‘ vorzügliche Kandidatinnen, um über Sprachspiele und Sprachpolitik nachzudenken.
Ich knüpfe dazu wiederum an den aktuellen Fall der Akademie-Gründung an – nicht um „Akademie-Bashing“ zu betreiben, sondern weil er in seiner Aktualität ein gutes Dokument für die schon länger zu beobachtende sprachliche Entfremdung soziologischer Denktraditionen voneinander ist.“  (Strübing im SozBlog 18.1217) 
Und damit der Wirklichkeitswissenschaftler, der den kritischen Realismus ablehnt, nicht die WISSENSCHAFT aus den Augen verliert:
„Ein Zeichen für gute Wissenschaft ist nicht das Schließen, sondern das Öffnen von Begriffen. Die Arbeit am Begriff ist zentraler Teil (nicht nur) unserer Wissenschaft. Die dabei entstehende Ungewissheit ist nicht immer angenehm, aber gleichwohl ein wesentliches Erkenntnismittel.“ (Strübing SozBlog vom 18.12.17)

Wie wär’s da mit einem systemtheoretischen Begriffsexperten aus dem sozialkonstruktivistischen Nachbar-Glashaus, lieber wortgewaltiger Pippi Langstrumpf-Hermeneutiker???

„Aber Handlungen kann man sich leicht in Interaktionszusammenhängen vorstellen, wenn man Max Weber folgt und der Handlung einen sozial gemeinten Sinn unterstellt. Die Motive der Handelnden (und eventuell ihre rational auswählende Struktur) dienen dann zur Erklärung der Formen, die Interaktionen annehmen. Genau damit wird jedoch die andere Seite der Form ausgeblendet oder allenfalls als rational nicht wählbar mitgeführt. Die eine Gesellschaftstheorie primär interessierende Frage wäre jedoch, weshalb fast alle möglichen Handlungen und Interaktionen NICHT zustande kommen. Sie liegen offensichtlich außerhalb des Schemas möglicher Motive und rationaler Kalkulationen.

...

Die Neigung des methodologischen Individualismus (ob zwangsläufig oder nicht), am Individuum abzufragen, was es weiß oder meint, und dann die Daten statistisch auszuwerten, greift prinzipiell am Phänomen der Kommunikation vorbei, denn Kommunikation findet ihren Anlaß ja typisch im Nichtwissen. .....
Es ist auch völlig unrealistisch anzunehmen, ein Individuum wisse, was es nicht wisse.“ 
(Luhmann 2015: 39)

Das ist vollkommen zutreffend. 
Luhmann gerät erst selbst in eine methodologische Schieflage, wenn er sozialkonstruktivistisch bei Interaktionen kommunikationstheoretisch hängen bleibt, die genau so wenig die determinierenden Strukturen erklären können wie Handlungen.
Außerdem begreift er nicht die wissenschaftliche Orientierung an möglichst einfachen Erklärungen (Reduktion von Komplexität, z.B. E=mcc), die Notwendigkeit eines kritischen, ontologisch fundierten Realismus und die implizite Kausalitätsstruktur von funktionalen Beschreibungen und selbstreferentiellen Prozessen.

Zu seiner Empirie-Distanz formuliert er realistisch, selbstkritisch und zukunftsschwanger:

„Es wäre also viel damit zu gewinnen, könnte man Bekanntes aus ungewohnten, inkongruenten Perspektiven neu beleuchten oder anders kontextieren. Aber dafür fehlt derzeit eine ausgearbeitete Methodologie, die stärker, als man im allgemeinen annimmt, von Theorieentwicklungen abhängen dürfte.“ (Luhmann 2015: 42)


Genau hier setzen meine Andeutungen bezogen auf den „methodologischen Strukturalismus“ und die sozialrealistische „Soziologie des Unbewussten“ an, zu der mich vor allen Dingen Niklas Luhmann und Emile Durkheim angeregt haben.