Soziologie-ein fliegender Holländer? https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be/2015/12/blog-post

Soziologie- ein fliegender Holländer?

Mein Artikel aus "soziologie heute", Oktober 2015, s. Blog-Artikel vom 2.12.2015

Montag, 26. Mai 2014

Die Systemtheorie und das Unbewusste


Der Systemtheoretiker Peter Fuchs entlarvt das Unbewusste als Schwachstelle der Luhmannschen Systemtheorie beim Vergleich mit der  Psychoanalyse Freuds und Lacans. Beide Theorien haben einen universalistischen Anspruch, keine kann die andere einfach ersetzen. 

Ihr Kontakt geht in folgende Richtung:
„Es ist ohne Frage die Systemtheorie, die mit ihrer Beobachtungsdifferentialität den Kontakt ausarbeitet, aber dieser Vorteil wird auf satte Weise ausgeglichen dadurch, daß sie es damit ist, die sich der Gefahr aussetzt, als zu schwach beobachtet zu werden.“ (Fuchs 1998: 237)
Welche Möglichkeiten, voneinander zu lernen, ergeben sich aus der Sicht des Systemtheoretikers?

„Die Stoßrichtung ergibt sich aus der Vorstellung, daß auch die Beobachtung des Bewußtseins durch die dafür eingesetzten Bewußtseinsexperten auf Kommunikationsprozesse umgeschrieben werden könne. Es geht also um die weitere Radikalisierung des Projekts der Umschrift psychisch gedeuteter Prozesse auf Sozialität.“ (Fuchs 1998: 237)

Die Psychoanalyse und die Entdeckung des Unbewussten könnten 100 Jahre nach Durkheim und Freud zu einem neuen Fundament einer wissenschaftlichen Struktursoziologie werden, nach den letztlich gescheiterten Versuchen, den methodologischen Individualismus und die darauf aufbauende soziologische Theorie als DIE Methodologie und Theorie der Soziologie zu etablieren.



Freud hat die „Aushebelung des Bewußtseins als Zentralinstanz des Psychischen“ (Fuchs 1998: 239) vollzogen. Heute feiert das Unbewusste, lange Zeit als wissenschaftlich unbegreifbar behandelt, in den Neurowissenschaften als „das Implizite“ ein dramatisches Comeback.

Das könnte laut Peter Fuchs unabsehbare  epistemologische Folgen haben, da die Idee der Einheit des Bewußtseins und der unserer Vorstellung des Subjekts aufgegeben werden muß.

Seine Horrorvision, m.E. der einzig realistische Weg für die Soziologie:

„ Diese Einsicht (dass Bewusstsein und Gesellschaft polykontextural und selbstblind sind, G.Sch), gesellschaftlich kommuniziert oder gar akzeptiert, würde das, was dann noch an Kommunikation möglich ist, dramatisch verändern. Alle kommunikativen Zurechnungsroutinen und –strategien würden erodieren. Das Bewußtsein müßte seine Sozialität entdecken, die absolute Dominanz der Verlautbarungswelt. Das entscheidende >Wesen< wäre die Gesellschaft, die jedes einzelne Bewußtsein so durchflutet, daß es sich selbst nicht anders als mit den so angelieferten sozialen Unterscheidungen entdecken kann. Statt <Wesen> würde man sagen können: Subjekt. … UND –HORRIBILE  DICTU - : DIE WISSENSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN WÄRE DIE SOZIOLOGIE (Hervorh.G.Sch.), die Lehre von den sozialen Unterscheidungen.“ (Fuchs 1998: 239/240)

Das Projekt Durkheims kann in eine neue Phase eintreten, nicht als Schreckensvision, sondern als ein weiterer Schritt, Soziologie als Wissenschaft weiterzuentwickeln.