Der wissenschaftliche Realismus konstruiert, idealtypisch
betrachtet, empirisch falsifizierbare Hypothesen auf der Basis möglichst
konsistenter Theorien (Kritischer Rationalismus/Popper), um sich der objektiven
Wirklichkeit spekulativ-vernünftig anzunähern. Diese Theorien können und wurden
immer wieder relativiert, bezogen auf eine weitere Annäherung an objektive
Wahrheiten und Wirklichkeiten.
Der relativistische Konstruktivismus geht davon aus, das
objektive Wahrheiten und Wirklichkeiten, falls sie überhaupt existieren, für
Menschen nicht erkennbar sind. Seine Bezugspunkte sind nur andere
Perspektiven/Relativismen und nicht die Annäherung an objektive Wirklichkeiten
durch Denken/Intuition/Erfahrung.
Der Unterschied zwischen Relativierung und Relativismus wird
postmodern-relativistisch nicht begriffen.
Piaget ist ein Wissenschaftsrealist.
Er beschreibt in
"Weisheit und Illusionen der Philosophie" in einem Kapitel "Das
falsche Ideal einer suprawissenschaftlichen Erkenntnis".
Es geht um die Methodologie der Naturwissenschaften, die
nicht auf materialistische Erklärungen beschränkt ist, wie Deutsch treffend
formuliert:
„Reductionism and holism are both mistakes. In reality,
explanations do not form a hierarchy with the lowest level being the most
fundamental. Rather, explanations at any level of emergence can be fundamental.
Abstract entities are real, and can play a role in causing physical phenomena.
Causation is itself an abstraction.“ (Deutsch 2011: 124)
Die Unhaltbarkeit der konstruktivistischen Ideologie
beschreibt Neuhäuser in Bezug auf Piaget folgendermaßen:
"Unsere Wissenskonstrukte werden von einem unhintergehbaren
Realitätsbezug geprägt, der sich auch in die Konstrukte einschreibt. Sie sind
nicht rein willkürlich, der Gegenstandsbezug schlägt sich in ihrer Ausprägung
nieder. Dass wir grundsätzlich perspektivisch denken, dabei von Interessen
geleitet werden und der Prozess eine unhintegehbare soziale Praxis ist, ist
kein zwingendes Argument dagegen, dass die Resultate von Erkenntnisprozessen
den Erkenntnisgegenständen angemessen sind oder zumindest sein können. Wäre
alltagspraktisches und wissenschaftliches Wissen völlig frei und willkürlich
konstruiert, könnte überhaupt nicht erklärt werden, warum auf seiner Grundlage
erfolgreiche Anwendungen, Techniken, Vorhersagen möglich sind.“ (Neuhäuser
2003: 210)
Die vernünftigen Spekulationen auf der Basis des
konstruierenden Realismus sind zwar niemals aus sich heraus logisch beweisbar
(Unvollständigkeitstheorem/ Gödel), aber können verbunden mit rationalen, nicht
auf dieser Ebene beweisbaren Intuitionen bezüglich der Voraussetzungen der
Theorien/Hypothesen die Annäherungen an objektive Wirklichkeiten im Sinne des
platonischen Realismus wahrscheinlich werden lassen.