Soziologie-ein fliegender Holländer? https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be/2015/12/blog-post

Soziologie- ein fliegender Holländer?

Mein Artikel aus "soziologie heute", Oktober 2015, s. Blog-Artikel vom 2.12.2015

Sonntag, 2. Juli 2017

Libet und die Illusion des autonomen Bewusstseins!

Das unbewusste Gehirn hebt die Hand!

„Wenn Sie meinen, dass wir unser Bewusstsein benötigen, um Entscheidungen zu treffen, muss ich Sie enttäuschen: Wir wissen inzwischen eine Menge darüber, wie das Gehirn Entscheidungen trifft, und eine zusätzliche Kraft wie das Bewusstsein scheint dazu nicht erforderlich zu sein.
.........
Und wenn Sie meinen, dass wir unser Bewusstsein brauchen, um ästhetische Urteile zu fällen, kreativ zu sein oder uns zu verlieben, dann müssen Sie beweisen, dass das Bewusstsein diese Aufgaben übernimmt und nicht irgendein anderer Prozess unseres schlauen Gehirns.“ (Blackmore 2014:  Pos. 195)

„In fact, the list of psychological processes carried out in the new unconscious is so extensive that it raises two questions: What, if anything, cannot be done without awareness? What is consciousness for?” (Uleman in Hassin et al. (Eds.) 2005: 6)


Libet-Experiment


Als Libet-Experiment wurde die Messung des zeitlichen Abstands bekannt, der zwischen Nervenaktivität im Gehirn, die einer bestimmten Handbewegung einleitend vorausgeht, und dem erst danach erfolgenden Bewusstwerden der dazugehörenden Handlungsentscheidung liegt. Der Physiologe Benjamin Libet führte die Versuchsreihen 1979 durch. Ihre Bedeutung für die Philosophie des Geistes war Gegenstand lebhafter Diskussionen. Noch heute wird das Experiment häufig in der Debatte über das Konzept der menschlichen Willensfreiheit angeführt.


Ergebnis
Bei der Auswertung der Messergebnisse wurde der Nullpunkt der Zeitskala stets auf den Beginn der Muskelaktivierung gelegt, der anhand des EMG zweifelsfrei festzustellen war. Relativ zu diesem Bezugspunkt wurden die Zeitabstände von jeweils 40 EEG-Aufzeichnungen eines Probanden gemittelt. Eine solche Durchschnittsbildung ist üblicherweise nötig, um derartige Daten zuverlässig auswerten zu können.
Relativ zu dem definierten Nullpunkt des Beginns der Muskelaktivität waren die gemessenen Zeiten im Mittel wie folgt:
   Bei −1050 ms trat das Bereitschaftspotential auf, wenn der Proband eine Vorausplanung der Bewegung berichtete;
   Bei −550 ms setzte das Bereitschaftspotential von spontanen Handlungen ein;
   Der berichtete Zeitpunkt der willentlichen Entscheidung für die unmittelbar anschließende Handlung lag in beiden Fällen gleichermaßen bei −200 ms.
Das Bemerkenswerte an diesem Ergebnis war, dass der Zeitpunkt, zu dem die willentliche Entscheidung bewusst wurde, in jedem Fall deutlich nach dem Zeitpunkt lag, an dem im motorischen Kortex eine, für die Bewegung charakteristische, einleitende Nervenaktivität bereits begonnen hatte. Da das Vorexperiment sichergestellt hatte, dass die Ungenauigkeiten der Zeitangaben der Versuchspersonen erheblich kleiner waren als die maßgebliche Zeitverzögerung der empfundenen Willensentscheidung, so folgte daraus, dass letztere die Aktivierung des Motorkortex nicht kausal hatte verursachen können. (wikipedia)

Kurz darauf ging Libet zu der These über, dass es ein Zeitfenster von zirka 100 ms gebe, innerhalb dessen der bewusste Wille eine bereits eingeleitete Handlung noch verhindern könne (Veto- oder Kontroll-Funktion des Willens). In diesem Sinne könne das Bewusstsein „willensbestimmte Ergebnisse selektieren und unter ihre Kontrolle bringen“.[5] Er untermauerte diese Position mit weiteren Experimenten, die zeigten, dass ein Bereitschaftspotential nicht zwingend zu einer Handlung führt, sondern bis zirka 50 ms vor der Muskelaktivierung noch abgebrochen werden kann. Die angeführten 100 ms errechnete er aus den 200 ms von der bewussten Entscheidung bis zur Muskelaktivierung, abzüglich der 50 ms, innerhalb derer die Bewegung nicht mehr aufzuhalten ist, sowie korrigiert um die 50 ms, die sich im Vorexperiment als systematischer Ablesefehler der Uhr ergeben hatten.
Libet mutmaßte in der Folge, dass das Veto selbst nicht unbewusst eingeleitet werde, sondern unmittelbar auf bewusster Ebene stattfinde. Diese Vermutung stützte er jedoch nicht auf experimentelle Befunde. Zur Begründung verwies er stattdessen darauf, dass ihn alternative Annahmen zu Schlussfolgerungen über die Willensfreiheit führen würden, die er für unbefriedigend hielte. Unter Verweis auf die verbietende Formulierung vieler sozialer Regeln („Du sollst nicht...“) sah er aufgrund seiner Mutmaßung die moralische Verantwortlichkeit des Menschen wiederhergestellt.[6



]Neuere Experimente zur Bewusstheit willentlicher Entscheidungen von Kühn und Brass[7] (2009) deuten darauf hin, dass auch Veto-Entscheidungen unbewusst getroffen werden und erst nachträglich als freie Entscheidungen empfunden werden. Libets ursprüngliche und weitestgehende Interpretation seiner Ergebnisse wäre somit nach Jahrzehnten nachträglich bestätigt worden.“ (Wikipedia)

Die Frage bleibt, wer oder was bewirkt, dass das Gehirn die Hand hebt?

Wenn es das Bewusstsein des Handelnden nicht ist, dann offensichtlich in diesem Fall die Aufforderung des Experimentators, ein immaterieller Vorgang!

Wie ist es im Alltag?
Es liegt nahe, dass das individuelle Unbewusste im Sinne von Freud (Persönlichkeitsstruktur) in Kombination mit dem Unbewussten, das die  Kognitionswissenschaften wissenschaftlich untersuchen das Verhalten steuern, durch symbolisch, archetypische Anreize und Bilder von außen (s.a. C.G. Jung).

Ein kosmisches Unbewusstes in Kombination mit dem individuellen Unbewussten wiederum ist die einzige plausible Erklärung für geniale, rationale Intuitionen, wie sie Einstein und andere erfahren haben.

Eine materialistische Erklärung, z.B. im Sinne von zufällig sich ergebenden Zuständen im Gehirn, greift offensichtlich zu kurz.

Es gibt keinen Weg, der an einer dualistischen Konzeption der Natur auf dieser Ebene vorbeiführt, die durch eine monistische auf einer höheren Ebene (s. z. B. Leibniz) ergänzt werden muss.
Ein Gedanke z.B. ist eine objektive, immaterielle Wirklichkeit, die niemand bestreiten kann und die die materielle Wirklichkeit beeinflussen kann (nicht im Sinne der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik und ihrer populären, absurden Spiritualisierung).

Das Bewusstsein ist die emergente Spitze des Eisbergs des individuellen Unbewussten auf dem Meer des kosmischen Unbewussten.

Es hat die Funktion, Handlungen zu rationalisieren und sie nachträglich persönlich zuzuordnen (awareness). (Wegner, D.M. 2002: The Illusion of Conscious Will. Cambridge: MIT Press).

Das Bewusstsein kann nur indirekt das steuernde Unbewusste modifizieren durch Meditation/Therapie/Hypnose/gesellschaftlich-strukturelle Steuerung von Archetypen/Symbolen/Bildern). Und auch dazu braucht es genetisch-strukturelle Voraussetzungen, die unbewusst angelegt sind.

Jede Vorstellung, dass jeder Mensch freiwillig zur Therapie geht, freiwillig langfristig meditiert oder sich hypnotisieren lässt, freiwillig den Marlboro-Cowboy reiten lässt und auf die Selbstverstümmelung durch Rauchen verzichtet, weil die positiven Wirkungen nachgewiesen sind, ist absurd.