Soziologie-ein fliegender Holländer? https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be/2015/12/blog-post

Soziologie- ein fliegender Holländer?

Mein Artikel aus "soziologie heute", Oktober 2015, s. Blog-Artikel vom 2.12.2015

Freitag, 26. Dezember 2014

Die SOZIOLOGIE der Beziehung


oder

Warum sind die meisten Morde Beziehungsmorde?

Kurze Vorab-Antwort: Weil die WIRKlichkeit der Beziehung "an sich" nicht realistisch begriffen wird!

Der von mir angedeutete „methodologische Strukturalismus“ basiert im Gegensatz zur intersubjektivistischen Soziologie (inklusive der Systemtheorie) auf einer objektiven, ontologischen Konzeption von sozialen STRUKTUREN. Sie steht im Gegensatz zu den üblichen konstruktivistischen Fassungen der sozialen Beziehung, die von der subjektiven Wahrnehmung bzw. der intersubjektiven Kommunikation ausgehen.

Dem konstruktivistischen Verstand ist die Vernunft abhanden gekommen, die notwendig ist, um die WIRKlichkeit realistisch zu begreifen!

Diese STRUKTUREN, die das TYPISCHE oder, verteilungstheoretisch ausgedrückt, das wahrscheinliche Verhalten in einem sozialen System determinieren, reichen von der kulturellen Ebene wie beschrieben bis zur Beziehungsebene und darüber hinaus bis zur Persönlichkeitsstruktur.

Es geht um eine ontologische Hierarchie, die unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung existiert, oder anders formuliert, der subjektiven Wahrnehmung vorausgeht.

Am Beispiel der sozialen Beziehung zwischen zwei Menschen, die ich am Beispiel der Ehetherapie skizziert habe, wird deutlich, dass sich durch die Interaktion eine unbewusste WIRKlichkeit entwickelt, die unabhängig von der subjektiven Wahrnehmung UNBEWUSST entsteht, sich verselbständigt und die TYPISCHEN Verhaltensweisen innerhalb der Beziehung STRUKTURELL beWIRKT.

Meine wissenschaftstheoretische Position wird philosophisch mittlerweile durch den „NEUEN Realismus“ gestützt, der eine fundamentale Kritik am postmodernen Konstruktivismus, der auf Kant und seine erkenntnistheoretische Position zurückgeht, darstellt.

So formuliert Maurizio Ferraris das Verhältnis von Ontologie und Epistemologie, zum Beispiel bezogen auf den Aufforderungscharakter der realen, objektiven Umwelt, so:

„Daher hat alles - einschließlich der Wirtschaftsunternehmen, symbolistischen Gedichte und kategorischen Imperative - seinen Ursprung in der Aufforderung, die die UMWELT ausspricht. Eine Höhle spricht verschiedene Wesen an und fungiert als Zuflucht, eben weil sie ganz bestimmte Charakteristika hat und andere nicht.. Ökosysteme, staatliche Organisationen, ZWISCHENMENSCHLICHE BEZIEHUNGEN (Herv. GAS): in jeder dieser STRUKTUREN (Herv. GAS), die unendlich komplexer sind als eine Höhle, wiederholt sich die Struktur der Widerständigkeit und der Aufforderung. Ich definiere eine Umwelt als jeden Bereich, in dem solche Interaktionen stattfinden, von der ökologischen Nische bis zur SOZIALEN WELT (Herv. GAS), wobei selbstverständlich jeder Bereich seine eigenen Charakteristika hat. Im Umfeld 'ergibt sich' der Sinn, er steht uns nicht zur vollen Verfügung. Der Sinn ist ein Modus der Organisation, wodurch etwas irgendwie erscheint, aber in letzter Instanz eben nicht von den Subjekten abhängt.“

(Maurizio Ferraris „Was ist der Neue Realismus? Vom Postmodernismus zum Realismus“ in Markus Gabriel (Hg.), Der Neue Realismus, Suhrkamp Berlin 2014, S.66)

Im Gegensatz zu Luhmanns Systemtheorie ist die Basis des sozialen Systems „Beziehung“ NICHT die intersubjektivistisch angelegte Kommunikation, die bei ihm der Grundbaustein aller sozialen Systeme darstellt, sondern die objektivierbare WIRKlichkeit des unbewussten PRODUKTS der Kommunikation.
Die KAUSALE Wirkung (im Sinne eines statistischen Syllogismus) der BEZIEHUNG auf das Verhalten der Individuen im System eröffnet den Zugang zu einer WISSENSCHAFTLICH-soziologischen Erfassung von Sozialität jenseits der intellektualistisch-konstruktivistischen und funktionalistischen Metatheorie Luhmanns.

Der intellektualistische und selbstverliebte Take-Off Luhmanns und seiner Epigonen kann wieder in den Landeanflug auf die soziale WIRKlichkeit übergehen.

Die biologische Dimension des sozialen,  symbolisch gesteuerten Tiers „Mensch“, die die Systemtheorie betont, kann mit Hilfe der Kategorie des Unbewussten zu einem ganzheitlich-realistischen Fundament erweitert werden , das endlich die Anschlussmöglichkeit für eine kausal-wissenschaftliche Soziologie jenseits emotional-ideologischer Einseitigkeiten bietet.

Heuristisch bleibt die metatheoretische Systemtheorie selbstverständlich anregend. Sie kann an vielen Stellen genutzt werden, um wissenschaftlich-soziologische Theoriestücke und Hypothesen im Rahmen des „methodologischen Strukturalismus“ und der „Soziologie des Unbewussten“ zu formulieren.