oder
Warum sind die
meisten Morde Beziehungsmorde?
Kurze Vorab-Antwort:
Weil die WIRKlichkeit der Beziehung "an sich" nicht realistisch begriffen wird!
Der von mir
angedeutete „methodologische Strukturalismus“ basiert im Gegensatz
zur intersubjektivistischen Soziologie (inklusive der Systemtheorie)
auf einer objektiven, ontologischen Konzeption von sozialen
STRUKTUREN. Sie steht im Gegensatz zu den üblichen
konstruktivistischen Fassungen der sozialen Beziehung, die von der
subjektiven Wahrnehmung bzw. der intersubjektiven Kommunikation
ausgehen.
Dem
konstruktivistischen Verstand ist die Vernunft abhanden gekommen, die
notwendig ist, um die WIRKlichkeit realistisch zu begreifen!
Diese STRUKTUREN,
die das TYPISCHE oder, verteilungstheoretisch ausgedrückt, das
wahrscheinliche Verhalten in einem sozialen System determinieren,
reichen von der kulturellen Ebene wie beschrieben bis zur
Beziehungsebene und darüber hinaus bis zur Persönlichkeitsstruktur.
Es geht um eine
ontologische Hierarchie, die unabhängig von der subjektiven
Wahrnehmung existiert, oder anders formuliert, der subjektiven
Wahrnehmung vorausgeht.
Am Beispiel der
sozialen Beziehung zwischen zwei Menschen, die ich am Beispiel der
Ehetherapie skizziert habe, wird deutlich, dass sich durch die
Interaktion eine unbewusste WIRKlichkeit entwickelt, die unabhängig
von der subjektiven Wahrnehmung UNBEWUSST entsteht, sich
verselbständigt und die TYPISCHEN Verhaltensweisen innerhalb der
Beziehung STRUKTURELL beWIRKT.
Meine
wissenschaftstheoretische Position wird philosophisch mittlerweile
durch den „NEUEN Realismus“ gestützt, der eine fundamentale
Kritik am postmodernen Konstruktivismus, der auf Kant und seine
erkenntnistheoretische Position zurückgeht, darstellt.
So formuliert
Maurizio Ferraris das Verhältnis von Ontologie und Epistemologie,
zum Beispiel bezogen auf den Aufforderungscharakter der realen,
objektiven Umwelt, so:
„Daher hat alles -
einschließlich der Wirtschaftsunternehmen, symbolistischen Gedichte
und kategorischen Imperative - seinen Ursprung in der Aufforderung,
die die UMWELT ausspricht. Eine Höhle spricht verschiedene Wesen an
und fungiert als Zuflucht, eben weil sie ganz bestimmte
Charakteristika hat und andere nicht.. Ökosysteme, staatliche
Organisationen, ZWISCHENMENSCHLICHE BEZIEHUNGEN (Herv. GAS): in jeder
dieser STRUKTUREN (Herv. GAS), die unendlich komplexer sind als eine
Höhle, wiederholt sich die Struktur der Widerständigkeit und der
Aufforderung. Ich definiere eine Umwelt als jeden Bereich, in dem
solche Interaktionen stattfinden, von der ökologischen Nische bis
zur SOZIALEN WELT (Herv. GAS), wobei selbstverständlich jeder
Bereich seine eigenen Charakteristika hat. Im Umfeld 'ergibt sich'
der Sinn, er steht uns nicht zur vollen Verfügung. Der Sinn ist ein
Modus der Organisation, wodurch etwas irgendwie erscheint, aber in
letzter Instanz eben nicht von den Subjekten abhängt.“
(Maurizio Ferraris
„Was ist der Neue Realismus? Vom Postmodernismus zum Realismus“
in Markus Gabriel (Hg.), Der Neue Realismus, Suhrkamp Berlin 2014,
S.66)
Im Gegensatz zu
Luhmanns Systemtheorie ist die Basis des sozialen Systems „Beziehung“
NICHT die intersubjektivistisch angelegte Kommunikation, die bei ihm
der Grundbaustein aller sozialen Systeme darstellt, sondern die
objektivierbare WIRKlichkeit des unbewussten PRODUKTS der
Kommunikation.
Die KAUSALE Wirkung
(im Sinne eines statistischen Syllogismus) der BEZIEHUNG auf das
Verhalten der Individuen im System eröffnet den Zugang zu einer
WISSENSCHAFTLICH-soziologischen Erfassung von Sozialität jenseits
der intellektualistisch-konstruktivistischen und funktionalistischen
Metatheorie Luhmanns.
Der
intellektualistische und selbstverliebte Take-Off Luhmanns und seiner
Epigonen kann wieder in den Landeanflug auf die soziale WIRKlichkeit
übergehen.
Die biologische
Dimension des sozialen, symbolisch gesteuerten Tiers „Mensch“, die die Systemtheorie
betont, kann mit Hilfe der Kategorie des Unbewussten zu einem
ganzheitlich-realistischen Fundament erweitert werden , das endlich
die Anschlussmöglichkeit für eine kausal-wissenschaftliche
Soziologie jenseits emotional-ideologischer Einseitigkeiten bietet.
Heuristisch bleibt
die metatheoretische Systemtheorie selbstverständlich anregend. Sie
kann an vielen Stellen genutzt werden, um
wissenschaftlich-soziologische Theoriestücke und Hypothesen im
Rahmen des „methodologischen Strukturalismus“ und der „Soziologie
des Unbewussten“ zu formulieren.