Soziologie-ein fliegender Holländer? https://soziologiedesunbewussten.blogspot.be/2015/12/blog-post

Soziologie- ein fliegender Holländer?

Mein Artikel aus "soziologie heute", Oktober 2015, s. Blog-Artikel vom 2.12.2015

Mittwoch, 7. Mai 2014

Der methodologische Strukturalismus


"Was also sind Strukturen, soziologisch begriffen?



1.) Es sind auf verschiedenen, emergenten Ebenen durch Relationierung entstandene Realitäten, die die VERTEILUNG und damit die Wahrscheinlichkeit individuellen Verhaltens (nicht das konkrete, individuelle Verhalten) auf der Basis primär unbewusster Prozesse determinieren. Sie bestimmen die relative Stabilität sozialer Ordnungen und die Möglichkeiten des Wandels durch abweichendes Verhalten. Es handelt sich um ontologische Realitäten „sui generis“, die sichtbar sein können im Falle z.B. von Gesetzen, Organisationsstrukturen, Verfassungen, Büchern, Eheverträgen, formalen Institutionen , Symbolen, Bildern aller Art oder unsichtbar bzw. bedingt sichtbar (Gesten, Gesichtsausdrücke  in Relation zu ihrer verhaltenssteuernden Wirkung) wie im Falle einer Beziehungsstruktur oder einer kulturellen Struktur. In jedem Fall sind sie durch ihre Wirkungen (Bildung von Verteilungen des Verhaltens) empirisch nachweisbar und hypothetisch sinnvoll, wenn keine plausible anderweitige  kausale Erklärung zur Verfügung steht.  Die empirische Forschungsarbeit setzt an den Wirkungen (Verhaltensverteilung) an, erstellt Hypothesen zu den emotional relevanten Aspekten der relevanten Strukturen und beweist durch den Vergleich mit einer anderen Struktur und ihrer Wirkung die kausale Wirkung der untersuchten  Struktur.



2.)    Sie sind typischerweise, in der Regel aus nachvollziehbaren Handlungen von Individuen oder Gruppen entstanden, die von der Norm abweichen.  In Ausnahmefällen und in einem fundamentalen Sinn können Strukturen auch als unintendierte Folgen von Handlungen entstehen (z.B. Sprache/Kultur(teilweise)/Markt/Selbstorganisation).  Neue Strukturen entstehen soziologisch relevant typischerweise durch kreative Leistungen einzelner Persönlichkeiten und ihren Einfluss auf Gruppen und Gesamtgesellschaft.



3.)  Die Verteilungen des Verhaltens werden durch die emotional relevanten Aspekte der Strukturen im Normalfall unbewusst erzeugt. Die Bedingungen für die Form der Verteilungen sind einerseits der Grad und die Intensität der emotionalen Wirkung (Symbole/Bilder/Wiederholungen) und andererseits  die individuellen, persönlichen Differenzen in Bezug auf Beeinflussbarkeit, entstanden aus dem Wechselspiel von Veranlagung und Sozialisierung.



4.)  Die sozialen Gesetze werden begründet durch die Verbindung und Beeinflussung des individuellen Unbewussten mit und durch  kollektive Strukturen oder Intentionen (Searle).



5.) Empirisch relevant und Ausgangspunkt für empirische Untersuchungen sind die Verhaltensverteilungen (Explanandum), d.h. die Wirkungen der Strukturen, aus denen auf die strukturell relevanten, unbewusst determinierenden Variablen (z.B. Symbole/Bilder) als Explanans geschlossen werden kann.



6.) Voraussetzung für eine Erklärung durch soziale Gesetze ist eine begrifflich durchformulierte soziologische Theorie (z.B. mit dem Ausgangspunkt „Macht“  i.S. Webers als zentrales Konstituens jeder sozialen Beziehung und als Motor eines jeden sozialen Prozesses).



7.)     Soziologisch relevante Strukturebenen können hierarchisch wie folgt unterschieden  
       werden:

a)      Persönlichkeitsstruktur

b)      Struktur einer Zweierbeziehung

c)      Struktur einer Gruppe

d)      Struktur einer formalen Organisation

e)      Struktur einer formal organisierten Gesellschaft

f)    Ideologische Strukturen/ Wissenssoziologie (z.B. Liberalismus/Faschismus)

g)      Fundamental-religiöse Strukturen (Transzendenz)

h)      Erkenntnistheoretische Strukturen (Wissenschaft/Philosophie/Religion)

Jede höher liegende Ebene prägt, idealtypisch betrachtet, die VerhaltensVERTEILUNG und die statistische Varianz der darunter liegenden Ebene.

Empirische Untersuchungen, z.B. historisch vergleichend, können von statistischen Wirkungen ausgehen und Veränderungen in der Verteilung an Hand von emotional relevanten Strukturdimensionen hypothetisch formulieren und untersuchen."